Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt
eines Flugzeugs vor! Wenn ich sie an den Tischchen sitzend sehe, denke ich unweigerlich an meine Gäste aus Memphis. Sie gehören zu den abenteuerlustigsten Reisenden, die ich je begleitet habe.
Ihre Bekanntschaft machte ich dank eines weiteren Kunden, eines Priesters aus Memphis, der so beeindruckt war von dem Tag, den ich für ihn organisiert hatte, dass er mir versprach, mir seine Schäfchen zu schicken. Tatsächlich stieg die Zahl der Gäste aus Memphis nach seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten schlagartig an. Manchmal frage mich, ob er die Gemeinde in seinen Predigten davon überzeugt, ein Aufenthalt im Chianti-Gebiet in der Gesellschaft von Dario komme einem mystischen Erlebnis gleich (oder vielleicht einer Art Sühne)! Was auch immer er erzählen mag, das Ergebnis ist erstaunlich: Praktisch alle Gäste aus Memphis sind, nun ja … eben ältere Leute. Wenn ich eine Anmeldung aus dieser Stadt erhalte, weiß ich auch heute noch, dass eine Gruppe lächelnder Senioren am Treffpunkt auf mich warten wird, freundlich und charmant, wie es die Amerikaner aus nördlicheren Gegenden selten sind. Sie werden mich im singenden Tonfall der Südstaatler begrüßen, den ich so melodisch und sympathisch finde.
Bei meiner Arbeit als Fremdenführer bin ich auch stark behinderten Kunden begegnet: Leuten mit Krücken, in Rollstühlen, schwerhörig, mit Arterienverkalkung und solchen, die wussten, dass dies wahrscheinlich ihre letzte Reise sein würde. Trotzdem sind diese Menschen meistens umgänglicher als jüngere Touristen, und nie hat man den Eindruck, sie möchten aufgeben und den Ausflug vorzeitig abbrechen. Nie werde ich jenen einbeinigen Gast vergessen, der sich trotzig und ohne Hilfe zu akzeptieren, mit seinen Krücken an einem Regentag einen schlammigen Hügel hinaufarbeitete, um ein paar Etruskergräber zu besichtigen. Ich habe mich oft gefragt, ob Unvernunft oder Mut diese Leute dazu verleitet, derart umständliche und beschwerliche Ferien zu organisieren. Sie scheinen die Mühen zu genießen und buchen abgelegene Bauernhäuser, mieten Autos mit Handschaltung, kaufen ohne Hilfe ein, kochen und putzen selbst und lassen sich zu guter Letzt auch noch sozusagen mit verbundenen Augen auf lange Ausflüge mit mir ein, in Gegenden, die sie nicht kennen und deren Sprache sie nicht sprechen. Ihr absolutes Vertrauen und ihre totale Abhängigkeit von mir sind erstaunlich. Nach einem Tag mit ihnen muss ich mich fragen, wie sie all die Schwierigkeiten überstehen. Aber wenn ich ihren Geschichten zuhöre, wird mir klar, dass sie nicht bloß überleben, sondern aufblühen beim Besuch all dieser wichtigen Stätten und der Entdeckung der besseren Restaurants. Kurz, sie genießen ihre Ferien ebenso oder sogar mehr als meine gesunden Kunden.
Von meinen Gruppen aus Memphis vereinte eine ganz besonders alle Eigenschaften, die ich für ältere Kunden typisch finde.
An dem Morgen, an dem ein Ausflug mit ebendieser Gruppe vorgesehen war, stand ich früher auf als sonst, da die Anschrift, die meine Kunden angegeben hatten, mir unbekannt war und ich den Ort suchen musste. Sie hatten ein sehr schönes Bauernhaus in einer herrlichen Gegend gemietet, aber so abgelegen, dass sie, die ja keine Toskaner waren, sicher die größte Mühe gehabt hatten, es zu finden. Ich parkte meinen Wagen und näherte mich einem Liegestuhl. Von hinten gesehen sah er besetzt aus, als ob jemand darin die ersten Sonnenstrahlen und den Blick auf die grün werdenden Hügel genießen würde. Beim Näherkommen sah ich einen kahlen Kopf mit ein paar weißen Haaren – offensichtlich ein älterer Herr, also vermutlich einer meiner Kunden. Als ich etwa einen Meter von ihm entfernt war, begrüßte ich ihn mit einem freundlichen buongiorno. Er regte sich nicht. Jetzt sah ich, dass er ein Buch las. » Buongiorno «, wiederholte ich etwas lauter. Noch immer keine Antwort! Bei meinem dritten Versuch ging ich um den Liegestuhl herum und stellte mich vor ihn hin. Als er mich sah, fuhr er auf: »Ah, Sie sind sicher Dario.« Etwas mühsam erhob er sich, wobei er sich auf seinen Stock stützte. »Kommen Sie herein, damit ich Sie der ganzen Bande vorstellen kann.« Als wir den Kiesweg hinaufgingen, versuchte ich, das Eis zu brechen. »Sind Sie das erste Mal in Italien?« Leider erhielt ich keine Antwort. Ich wiederholte meine Frage mit lauterer Stimme und dachte bereits besorgt an den Zustand meiner Stimmbänder am Ende dieses Tages.
Jetzt hatte er mich gehört und antwortete:
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