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Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Titel: Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dario Castagno
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ich: »Den Ricasolis«, und wie ein Mann wiederholten sie: »Aha, den Ricasolis.«
    »Nein«, korrigierte ich: »nicht Ricasoli, sondern Ri- ca soli, mit dem Akzent auf dem a«, worauf mich eine der Damen fragte, wie man Ricasoli schreibe. »R-I-C-A-S-O-L-I«, buchstabierte ich.
    »Und wie heißt das Schloss der Ricasolis?«
    »Brolio«, antwortete ich, zum siebten Mal, wie mir schien.
    »Brolio«, kam das nachdenkliche Echo. »Und wem gehört es, haben Sie gesagt?«
    »Den Ricasolis, einer alten Toskanerfamilie«, antwortete ich, mit einer Stimme, die, wie ich gestehen muss, nicht ganz frei von zitternder Anspannung war.
    »Aha, den Ricasolis«, sagte sie und nickte mit dem Kopf.
    »Dario«, rief jetzt einer der Männer dazwischen: »Wie, sagten Sie, heißt das Schloss? … Bettino, nicht wahr?«
    Ich atmete tief ein und sagte dann: »Ja, das Schloss heißt Bettino!« Er würde es ja ohnehin gleich vergessen.
    Als ich sah, wie die Teilnehmer der Gruppe mühsam zum Schlossgraben hinaufstiegen, sagte ich, sie sollten sich Zeit nehmen. Ich wolle vorausgehen und an einem Punkt waren, an dem sie ausruhen und einen wundervollen Rundblick genießen konnten, einen der schönsten Blicke ins Chianti-Gebiet überhaupt.
    Eine Weile blickte ich versunken auf die leicht gewellten Hügel, und erst als ich mich vollkommen entspannt hatte, merkte ich, dass meine Kunden noch immer nicht oben angekommen waren. Ich ging zurück, um nachzuschauen, was mit ihnen geschehen war. Kaum bog ich um die Ecke, als ich sah, dass sie um eine der Frauen standen, die auf dem Boden lag. Beunruhigt beschleunigte ich meinen Schritt.
    Rasch kam ich nahe genug heran, um das Opfer zu erkennen – es war die Dame mit dem Spazierstock und den dicken Brillengläsern. Sie hatte eine tiefe Schnittwunde auf der Stirn. Nach fünfhundert Jahren des Friedens wurden die Schlossmauern aufs Neue mit Blut getränkt! Glücklicherweise bewahrte sie Ruhe. Unter den ersten Rettern am Unfallort war auch eine amerikanische Krankenschwester auf Ferienreise. Im Rucksack hatte sie ein Desinfektionsmittel und Verbandsmaterial. Ein Arzt, ebenfalls in den Ferien, riet uns, die Wunde nähen zu lassen. Als sie gereinigt war, konnte er jedoch feststellen, dass sie kleiner war als befürchtet, und so gab er seine Einwilligung, unsere Besichtigung fortzusetzen. Erleichtert, aber etwas verunsichert, machten wir uns wieder auf den Weg.
    Der größte Schrecken stand jedoch noch bevor.
    Nach dem Besuch des Schlosses, an dessen Namen sich niemand mehr erinnern konnte, wollten wir zusammen einige Etruskergräber besichtigen. Um den Ausgrabungsort zu erreichen, mussten wir eine steile alte Römerstraße hinaufsteigen – nicht einfach mit einem Teilnehmer im Rollstuhl. Aber mit etwas Hilfe sollte es zu schaffen sein. Die Gräber befinden sich an einer bewaldeten Stelle. Besonders schön ist es hier im Sommer, wenn die wilden Ginsterhecken gelb leuchten und die Luft mit ihrem starken Duft erfüllen. Auf diesem kurzen Spaziergang stießen wir auf eine Viper. Normalerweise habe ich keine Angst vor diesen Schlangen. Es stimmt, dass ihr Gift tödlich wirken kann, aber Vipern sind sehr scheu und schrecken vor jedem Geräusch zurück. Im Sommer trifft man nur selten auf eine, und wenn doch, dann meistens mitten auf einer Asphaltstraße, wo sie sich auf dem heißen Teerbelag wärmt. Im Frühjahr, wenn die Vipern gerade aus dem Winterschlaf erwachen, reagieren sie nicht immer schnell genug auf Lärm. Wenn man dann mit den Händen in einen Busch greift, ist es möglich, dass man dabei eine Viper überrascht. Es kann auch vorkommen, dass man auf einem Spaziergang unbeabsichtigt auf eine tritt. Bei einem Biss sollte man sich unverzüglich ins Krankenhaus begeben, damit ein Gegengift gespritzt werden kann. In den dreißig Jahren allerdings, die ich bisher in diesen Hügeln verbracht habe, habe ich noch nie gehört, dass jemand von einer Viper gebissen worden sei.
    Um unerfreuliche Begegnungen zu vermeiden, und – ich gebe es zu – auch wegen des Spektakels, gehe ich aber jedes Mal, wenn ich mit meinen Kunden in diese felsige, von Büschen überwachsene Gegend vordringe, vor meiner Gruppe her, klopfe mit einem Stock auf den Boden und mache so viel Lärm wie möglich, um die Vipern zu verscheuchen. An diesem Tag, gefolgt von der zufriedenen Gruppe, machte ich genau das, als hinter mir einer der Männer ausrief: »Dariooo – was für ein Tier sitzt hier auf meinem Fuß?«
    Ich drehte mich um und war

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