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Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Titel: Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dario Castagno
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studierte.
    Es vergingen ein paar Tage. Dann erhielt ich unerwartet einen Telefonanruf von einem Hotel in Florenz. Obwohl die Saison vorbei war, wollte ein amerikanisches Ehepaar einen Ausflug in die Gegend um Siena unternehmen. Am nächsten Morgen saß ich also zusammen mit einem sehr freundlichen Ehepaar mittleren Alters in meinem Auto. Sie waren aus Alabama. Trotz des ungemütlichen Wetters verbrachten wir einen herrlichen Tag zusammen, bis ich auf die Glanzidee kam, sie nach dem Grund ihres Italienbesuches zu fragen.
    »Wir besuchen unsere Tochter. Sie studiert an der Universität von Vermont, aber zur Zeit verbringt sie ein Semester in Florenz. Eben war sie ein paar Tage in Siena, und sie war so begeistert davon, dass wir diese Gegend nicht verpassen wollten.« Ich fühlte, wie mein Gesicht rot anlief. Waren das Carters Eltern? Plötzlich war ich sehr verlegen und versuchte, das Thema zu wechseln, aber da hatte die Frau plötzlich einen Einfall. »Wissen Sie, was? Wir buchen Sie auch für morgen, dann können Sie beide sich kennen lernen!«
    »Ich w-w-weiß nicht,« stammelte ich. »Vielleicht ist das keine sehr gute Idee.« Aber sie bestand darauf.
    »Ach, seien Sie doch nicht so schüchtern! Unsere Jessica lernt gerne neue Leute kennen, und weil sie eine Weile hier bleibt, wäre es für uns beruhigend zu wissen, dass sie unter den Einheimischen einen Freund hat.«
    »Jessica?«, sagte ich und wiederholte den Namen erleichtert. »Also, einverstanden, morgen passt ausgezeichnet!«
    Am folgenden Tag holte ich das Ehepaar ab, und wie versprochen waren sie in Begleitung ihrer Tochter. Jessica war ein wirklich anmutiges Mädchen. Sie hatte schulterlanges blondes Haar und smaragdgrüne Augen, die aus einem leicht sommersprossigen Gesicht strahlten. Was mir aber ganz besonders auffiel, war ihre entzückende, etwas abwesende Stimme, die wie ein Seufzer zwischen ihren vollen Lippen hervordrang.
    Der Tag verlief gut, obwohl ich ständig das unangenehme Gefühl hatte, Jessicas Eltern wollten nicht nur, dass wir uns kennen lernten, sondern sie versuchten regelrecht, mir ihre Tochter aufzudrängen. Im Bus sorgten sie dafür, dass sie neben mir saß, und wenn wir irgendwohin gingen, folgten sie immer ein paar Schritte hinter uns, als ob sie unsere Zweisamkeit nicht stören wollten. Beim Mittagessen setzten sie uns nebeneinander, und als wir am Abend zurückfuhren, steckte mir Jessicas Mutter verstohlen ihre Telefonnummer in die Tasche und zwinkerte. Das alles war natürlich peinlich, aber weil Jessica so hübsch und unbefangen war, war ich mehr als bereit zu versuchen, ihre Mutter glücklich zu machen.
    Am nächsten Tag beschloss ich, Jessica trotz heftigen Regenwetters in ihrer Wohnung in Florenz zu besuchen, bewaffnet mit einer roten Rose und mehr als nur ein paar leisen Hoffnungen. Als ich mich aus meinem Bus unter den Vorsprung der großen Holztür ihres Hauses gerettet hatte, zögerte ich einen Augenblick lang. Es war etwas spät, jetzt noch einen Plan auszuhecken. Ich war schon den ganzen Weg hierher gefahren und stand nun völlig durchnässt da. Ich setzte also alles auf eine Karte, zog mein Handy hervor und wählte die mir von der Mutter zugesteckte Telefonnummer. Beim dritten Läuten antwortete Jessicas süße, verträumte Stimme, und ziemlich verlegen fragte ich, ob sie mit mir ausgehen wolle. Anders als viele Frauen, die auf diese Frage gespielt unsicher und wenig begeistert antworten, flötete sie sofort ehrlich: »Heeerlich.«
    »Auch jetzt?«, fragte ich weiter.
    »Natüüürlich«, flötete sie. Da klingelte ich an der Wohnungstür. Sie sagte: »Warte einen Augenblick, es hat jemand an der Tür geklingelt!« Als sie mich mit der Rose in der Hand vollkommen durchnässt dastehen sah, brach sie in ein entzückendes Lachen aus.
    In den folgenden zwei Wochen sahen wir uns fast täglich. Ich stellte sie meinen Freunden vor, in deren toskanischer Aussprache sie zu »Jessiha« wurde. Mit ihrer sympathischen Ausstrahlung eroberte sie alle in kürzester Zeit. Bevor sie in die Staaten zurückkehren musste, veranstalteten wir ihr zu Ehren ein Festessen, und am Tag danach begleitete ich sie zum Bahnhof. Wir hatten beide Tränen in den Augen, und es war schmerzlich, sie gehen zu lassen. Das letzte Bild von ihr ist ein strahlendes Lächeln und ihr Winken aus dem Zugfenster, als ich ihr nachschaute, wie sie immer kleiner wurde und der Zug immer weiter dem Horizont entgegenfuhr.
    Drei Tage später fand mein letzter

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