Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt
bedauerliches Opfer, der sich selbst wegen der Finanzierung der Launen seiner Gemahlin keine Ferien leisten kann und zu Hause bleiben und arbeiten muss.
2) Der Ehemann ist ein armes Opfer, das mehr als glücklich ist, die Ferien seiner Frau zu finanzieren, damit er die Ruhe genießen kann, während seine Frau weit, sehr weit weg ist.
Sobald die Babs mich das erste Mal sehen, sagen sie höflich: »O Dario, wir haben so fantastische Sachen über Sie gehört!« Dann steigen sie in meinen Minibus ein, trinken die erste Diät-Cola des Tages und dann – nach den Anstrengungen all dieser Tätigkeiten – beginnen sie, mit einem intensiv rosaroten, karminroten oder granatroten Lippenstift oder einer sonstigen von Vogue oder Marie Claire empfohlenen Farbe ihre Lippen nachzuziehen.
Normalerweise gehen diese Damen nicht gerne zu Fuß und lehnen es ab, sogar die besser erreichbaren Orte zu besuchen, weil es für sie zu mühsam ist, aus dem Bus auszusteigen. Beim Mittagessen schauen sie mir traurig zu, wie ich die Vorspeise esse, dann den ersten Gang, dann den zweiten Gang – sie haben selbstverständlich nur ein paar Blättchen Kopfsalat auf ihrem Teller. Sie verabscheuen Wein, trinken aber Unmengen Diät-Cola und hinterlassen an den Glasrändern fürchterliche Lippenstiftspuren, die nicht einmal besonders leistungsfähige Geschirrspülmaschinen wegzuspülen vermögen.
Es folgt die unvermeidliche Frage: »Dario, wie kommt es, dass in Italien alle so viel essen, die Italiener aber kein dickes Volk zu sein scheinen?« Die Babs sind von der Idee besessen, schlank zu bleiben, ohne eine absurde und komplizierte Diät zu befolgen.
Wenn sie dann allerdings mit Ginas hausgemachtem Tiramisu konfrontiert werden, geben sie der Versuchung rasch nach. Nachher muss ich eine lange Toilettenpause einkalkulieren, mindestens eine Viertelstunde für jede einzelne Bab, nur gerade die Zeit, die notwendig ist, um komplett restauriert wiederzukommen, die Augen geschwärzt, das Lippenrot intensiviert – als hätten sie auf der Damentoilette ein Tier bei lebendigem Leib verschlungen.
Nach einer Weile bemerken sie, dass das Programm ihnen keine Zeit zum Einkaufen lässt, und weil sie keine Möglichkeit entdecken, ihr Geld auszugeben – oder, besser gesagt, das ihrer Gatten -, beginnen ihre Hände zu jucken und zu zucken. Wenn ich die ersten Symptome von Einkaufs-Entzugserscheinungen feststelle (diese Symptome schließen eine völlige Taubheit gegenüber meinen Erklärungen ein, ständige und ungeduldige Fragen über unsere Reiseroute, eine plötzliche Aufmerksamkeit gegenüber allem, das auch nur entfernt auf das Vorhandensein eines Ladens deuten könnte, ein fast junkiehaftes Bedürfnis nach einer Dose Diät-Cola), täusche ich eine plötzliche Glanzidee vor: Weshalb halten wir nicht bei einem Keramikladen in der Nähe? Die Reaktion ist überwältigend – wie wenn man einer Meute hungernder Wölfe Aas vorwirft.
Romano Rampini, der Inhaber dieses Ladens, hat ein erfolgreiches Unternehmen aufgebaut. Er verkauft den Touristen Gegenstände aus Keramik und besorgt auch den weltweiten Versand. Sein Angebot umfasst Reproduktionen sowohl antiker Formen als auch von Renaissancemodellen, daneben moderne Kunstgegenstände und traditionell toskanische Sachen. Inzwischen haben viele seine Idee nachgeahmt, aber bei ihm halte ich gern, weil ich als Nichtsachverständiger hier den Eindruck habe, die Stücke seien von guter Qualität.
Romanos Vater, ein Mann mit typisch etruskischen Gesichtszügen, hat mir erzählt, dass Keramikgut früher nur in reichen Familien verwendet worden sei. Die Bauern hätten ihre Mahlzeiten auf einer Scheibe Brot gegessen (was die Entstehung der crostini und bruschette erklärt). Jede adlige Familie hatte ihr eigenes, auf die Keramikgüter aufgemaltes Muster. Die Farben richteten sich nach der Bedeutung der Gäste, die davon aßen. Das Unglaubliche an der Geschichte ist, dass aus Gründen der Hygiene am Ende jeder Mahlzeit all diese Meisterwerke weggeworfen wurden. Hunderte von Künstlern und Handwerkern mussten das Geschirr ständig neu herstellen.
Weil sie als Luxusgegenstände angesehen wurden, gelten dekorierte Keramiksachen noch heute als ein wenig versnobt und sind bei den Einheimischen nicht besonders beliebt. Meine Kunden dagegen werfen einen einzigen Blick auf diesen erstaunlichen Laden mit den wundervoll glasierten Tellern, Untertassen, Tassen, Vasen und Schalen, und schon sind sie wieder ganz bei der Sache. Wenn
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