Toskanische Verführung (German Edition)
über das Gesicht rieb. Kühlend, besänftigend. Ernüchternd.
Sie musste das Haus verlassen, und zwar besser heute als morgen. Er musste selbst mit Kendal Bardsley sprechen. Oder, noch besser, gleich mit Phil Lamont, der so sehr darauf drängte, dieses Gutachten vor Ende des Monats zu bekommen. Die Bücher liefen ihm nicht davon. Er würde Lamont versichern, dass er die Bibliothek niemandem verkaufen würde, bevor Lamont nicht sein Gebot abgegeben hatte. Das sollte den Amerikaner ruhig stellen.
Alessandro stand auf, fluchte leise über den Schmerz, der bei der unbedachten Bewegung in seinen Rücken schoss, und ging zum Schreibtisch. »Dawkins«, sagte er in die Sprechanlage, die ihn mit dem Zimmer des Sekretärs verband, »rufen Sie Mr Lamont an, ich will mit ihm sprechen.«
Er wartete die Bestätigung ab, dann blickte er düster auf seine Morgenzeitung und den mittlerweile kalten Kaffee in seiner Tasse. »Und bringen Sie mir frischen Kaffee«, fügte er hinzu.
4
»Mr Dawkins, machen Sie mir doch bitte einen Termin bei Signor della Gherardesca.«
Der Sekretär hob mit verblüffter Miene den Kopf. »Ms Gardner?«, fragte er, als hätte er nicht verstanden, was sie gesagt hatte.
Flannery wiederholte geduldig ihre Bitte, während sie ihre verspannten Schultern dehnte. Seit sie aufgestanden war - viel zu früh für ihren nach Schlaf gierenden Körper - war sie mit einem Schreibblock durch die Bibliothek gewandert und hatte eine erste grobe Bestandsaufnahme gemacht. Dann hatte sie einen schnellen Imbiss genommen und sich auf die Suche nach dem Sekretär begeben. Dawkins befand sich in seinem Büro, wo er gleichzeitig telefonierte, rauchte und auf seiner Tastatur herumhackte. Er hatte ihr bedeutet, sie möge Platz nehmen, sich eine Zigarette nehmen und warten, und Flannery war der Aufforderung gerne gefolgt. Sie ließ sich auf das schmale Besuchersofa sinken, streckte die Beine aus und ächzte leise. Ihr taten die Füße weh. Und ihre helle Sommerjeans hatte staubige Hosenbeine und einen Riss in der Naht am Knie, weil sie an einer der Bücherleitern hängengeblieben war.
Dawkins legte das Telefon ab und notierte etwas auf einem gelben Schreibblock. »Was kann ich für Sie tun, Ms Gardner?«, fragte er.
Daraufhin hatte Flannery um den Termin beim Grafen gebeten und dieses Ansinnen brachte Dawkins sichtbar aus der Fassung. »Aber warum, wozu?«, sagte er und tippte nervös mit dem Kugelschreiber auf den Tisch. »Ich kann Ihnen alles sagen, was Sie wissen müssen. Oder besorgen, was Sie brauchen. Wozu möchten Sie den Grafen belä...«, er stockte und lächelte verlegen.
»Ich belästige Signor della Gherardesca nur sehr ungern«, sagte Flannery. »Aber es gibt ein paar Dinge, die ich nur mit ihm abklären kann. Ich brauche Leute, die mir helfen, Passwörter, Zugang zum Netzwerk ...«
»Dafür kann ich sorgen«, unterbrach Dawkins sie. »Ich habe die Vollmacht, Ihnen alles zu genehmigen, was Sie für Ihre Arbeit brauchen. Wenn Sie mir eine Liste mit den Dingen geben, die Sie benötigen, dann kümmere ich mich sofort darum. Der Graf hat Ihrer Arbeit die höchste Priorität eingeräumt.«
»Damit er mich so schnell wie möglich wieder los ist«, sagte Flannery ironisch. »Gut, danke, dass Sie sich darum kümmern. Ich habe die Liste hier.« Sie schob ihm den Zettel zu. »Aber den Termin möchte ich dennoch. Ich muss ein paar grundsätzliche Dinge klären, bevor ich weitermachen kann.« Sie erwiderte unnachgiebig den flehenden Blick des Sekretärs.
Dawkins gab auf. Er seufzte und griff nach dem Telefon. »Signor Conte«, sagte er nach einer Weile, in der er mit den Fingern auf den Tisch getrommelt hatte, »ich bitte um Verzeihung. Ms Gardner ersucht um ein Gespräch.« Er lauschte mit unglücklicher Miene seinem Gesprächspartner, warf Flannery einen gequälten Blick zu, zuckte mit den Achseln, murmelte: »Ja, Signor Conte. Nein. Nein, das habe ich ihr ... sie besteht darauf. Bitte, es ist nicht meine Schuld ... ja. Danke. Ich sage es ihr.« Er legte auf und spitzte die Lippen. »Signor della Gherardesca lässt bitten«, sagte er nicht sonderlich freundlich.
Flannerys Herzschlag stolperte kurz. »Jetzt?«
Dawkins hob eine Braue. »Sie wollten einen Termin - Sie haben einen Termin. Die zweite Tür auf der rechten Seite, Ms Gardner, wenn ich bitten darf.«
Flannery stand auf und sah hilflos an ihrer derangierten und nicht mehr sonderlich sauberen Arbeitskleidung herab. »So kann ich doch nicht ...«, murmelte sie
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