Toskanische Verführung (German Edition)
dem ausgezeichneten Ruf? Wie bedauerlich und wie bezeichnend für den Niedergang einer einstmals großen Nation.«
Flannery schnappte nach Luft. »Sie können mich nicht beleidigen«, gab sie zurück. »Meine schottischen Vorfahren waren vielleicht keine Grafen, aber ihre Chiefs haben Männern wie Ihnen mit Freude den Kopf abgeschlagen und die Mauern ihrer Burgen damit dekoriert.«
»Und dann mit Hilfe aufgepumpter Ziegenbälger grässlichen Lärm veranstaltet, den wirklich kein Mensch mit funktionierendem Gehör ›Musik‹ nennen würde. Für diese Form der Kultur muss man wohl wie Sie als Steinzeitmensch geboren sein, Ms Gardner.«
Flannery hörte die Geister sämtlicher Ahnen in sich, wie sie zum Kampf riefen. Sie atmete tief ein und wieder aus, begann im Geiste von hundert rückwärts zu zählen - eine Übung zur Beruhigung aufgewühlter Emotionen, die ihr bisher immer geholfen hatte - und sagte ungefähr bei 98: »Ah, vaffanculo !«
Einen atemlosen Moment lang blieb die Welt stehen, bevor das Blut in Flannerys Ohren so laut zu rauschen begann, dass es sie beinahe ertauben ließ. Sie sah die vollkommene Verblüffung im Gesicht ihres Gegenübers, schloss die Augen und stammelte: »Oh, mein Gott, es tut mir leid. Verzeihen Sie ... das hätte ich nicht sagen dürfen!«
Sie hatte es versenkt. Er würde sie hochkant rauswerfen, ihren Chef anrufen und ihm brühwarm erzählen, dass seine hochgelobte Expertin das »F«-Wort zu ihm gesagt hatte. Wenn auch immerhin in lupenreinem toskanischem Italienisch.
Sie hörte, wie sein Stuhl zurückgeschoben wurde und er auf sie zukam. Flannery stand hastig auf. Seine Blicke schienen Flammen zu werfen, sein Gesichtsausdruck war ihr in ihrer Panik ein Rätsel. Er war Italiener. Graf hin, Conte her, sie hatte ihn tödlich beleidigt. Er würde sie ohrfeigen. Hugo hatte geschrieben, er wäre verrückt. Er würde sie töten. Er würde ...
Seine Hände packten sie so fest, dass ihr vor Schreck und Angst die Knie weich wurden. Seine Finger gruben sich in ihre Arme. »Gardner«, sagte er leise, »Sie sind eine der biblischen Plagen, von Gott gesandt, um mich zu prüfen.«
Flannery wagte es, ihm in die Augen zu sehen. Dazu musste sie ein wenig den Kopf heben. Er verzog die Lippen zu einem Lächeln, das höhnisch zu sein schien. Oder boshaft? Sadistisch? Gewaltbereit? Sie konnte seine Miene, seine Stimmung nicht deuten, starrte nur wie ein hypnotisiertes Kaninchen auf seinen lächelnden Mund und stammelte: »Nein, Signor Conte. Ich bin nur ... Sie haben mich wütend gemacht. Dann geht es manchmal mit mir durch.«
Er ließ sie nicht los. Sie spürte die Wärme seines Körpers, den festen Druck seiner Hände, sie roch sein Rasierwasser, sah die gebräunte Haut seines Kinns, das Zucken eines Muskels in seiner Wange, den kleinen Kaffeefleck auf dem weißen Hemd, fühlte die seltsame, vibrierende Spannung, die sich zwischen ihnen aufbaute wie ein elektrisches Feld. Jeden Moment würde etwas passieren, eine Explosion, ein Schlag, ein Schrei ...
Er ließ sie los und Flannery taumelte rückwärts. Der Graf wandte sich ab und betrachtete konzentriert seine Schreibtischlampe. »Ich denke, Sie sollten jetzt an Ihre Arbeit zurückgehen«, sagte er. Seine Stimme klang atemlos und ein wenig erstickt, als bemühte er sich, einen Zornesausbruch hinunterzuschlucken. »Wir verbleiben bei unserer vorherigen Regelung, Ms Gardner. Wenn Sie etwas von mir wollen, schicken Sie Dawkins.«
Flannery holte tief Luft. »Signor Conte«, sagte sie, und ihre Stimme schwankte ein wenig, »ich bitte noch mal um Entschuldigung. Aber ich denke, dass ich unter diesen Umständen nicht hierbleiben möchte.«
Seine Schultern spannten sich an. Flannery konnte bei aller Aufgewühltheit nicht umhin, seine langen, schlanken Beine und die schmalen Hüften in der gutgeschnittenen grauen Hose zu bewundern. Das alles wäre viel angenehmer, wenn er nicht so unglaublich attraktiv und so verdammt unausstehlich daherkäme.
»Was wollen Sie von mir, Ms Gardner?«, fragte er, ohne sich ihr zuzuwenden. Seine Stimme klang gereizt, aber es lag auch ein Anflug von Resignation in seinen Worten. »Ich habe selten einen so lästigen Menschen wie Sie erlebt. Nun sagen Sie schon, was ich tun soll, damit ich endlich meine Ruhe bekomme.«
Flannery schluckte eine bissige Bemerkung hinunter und erwiderte: »Ich stelle keine unbilligen Forderungen. Es wäre nur wirklich hilfreich, wenn ich Sie bei Bedarf anrufen dürfte. Oder meinetwegen per
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