Toskanische Verführung (German Edition)
bläulichen Licht des Monitors zu erkennen: schlank, gepflegt, feingliedrig. Es hätte eine von Alessandros Händen sein können.
Glas und Hand verschwanden hinter dem Vorhang aus Dunkelheit. »Danke«, sagte er mit diesem heiseren Flüstern.
Flannery nickte nachdenklich. »Warum flüstern Sie, Hugo?«
Er bewegte sich, es sah so aus, als beugte er sich vor. »Ich habe eine Verletzung des Kehlkopfes davongetragen«, antwortete er. »Ich sagte Ihnen, dass ich ein Krüppel bin. Ein missgestaltetes Monstrum.« Er hustete.
Flannery hob unbehaglich die Schultern. »Ich habe nach Informationen über Sie gesucht. Wikipedia behauptet, Sie seien tot.«
Jetzt klang sein Husten deutlich wie ein Lachen. »Ich habe mir erlaubt, den Eintrag zu bearbeiten, Flannery. Es ist ja keine Lüge. Für die Welt bin ich tot. Ich bin ein lebender Leichnam, verdammt dazu, des Nachts durch dieses verfluchte Haus zu geistern.«
Flannery seufzte und schob ihr leeres Glas über den Tisch. »Ihr Bruder hält sich auch für verflucht«, sagte sie. »Das scheint eine Familienkrankheit zu sein.« Sie fingerte in der Tasche ihrer Strickjacke nach Zigaretten. »Möchten Sie?«, fragte sie und hielt das Päckchen hoch.
»Gerne«, sagte er. Flannery zielte und warf. Sie sah die geschmeidige Bewegung, mit der er das Päckchen aus der Luft fischte und runzelte die Stirn. Verkrüppelt?
Zellophan raschelte, Hugo drehte sich weg. Ein Feuerzeug klickte und der Lichtschein riss für ein paar Atemzüge die Linie seiner Wangenknochen und seines Kinns aus dem Dunkeln.
Flannery bemerkte, dass sie sich kniff. Das war Alessandro, es war kaum ein Irrtum möglich.
»Erzählen Sie mir von sich«, unterbrach das Flüstern sie. Der Geruch von Tabak zog zu ihr. »Ah, verzeihen Sie.« Die Zigarettenpackung landete mit einem leisen Knall vor ihr auf dem Tisch.
»Was soll ich erzählen?« Sie fingerte eine Zigarette heraus und stieß die Computermaus an, damit der Monitor sich wieder erhellte. »Ich bin eine langweilige Literaturwissenschaftlerin, die für ein Auktionshaus jobbt.«
»Sie haben keine Familie? Keinen Freund?«
»Nur eine Schwester«, erwiderte Flannery. »Das wissen Sie doch, Hugo.« Sie beugte sich vor und streifte die Asche in den mitgebrachten Aschenbecher. »Erzählen Sie mir. Warum vergraben Sie sich hier?«
Er schützte die Zigarette mit der Hand, während er daran zog. »Ich habe keinen Ort, an den ich gehen könnte«, sagte er. »Mein Leben endete mit dem Unfall, bei dem ich meine Verlobte verlor. Mein Liebstes, meine Elga. Es ist, als wäre ich selbst gestorben. Ich warte seitdem.«
Flannery zog die Jacke vor der Brust zusammen. Ein unangenehm kühler Luftzug machte sie frösteln. Oder war es die hoffnungslose Kälte, die aus dem heiseren Flüstern klang?
»Wie ist es passiert?«, fragte sie.
»Wir waren übermütig. Wir haben in Livorno mit Freunden gefeiert, dabei zu viel getrunken. Ich wollte, dass wir den Wagen stehen lassen und ein Taxi nehmen, aber Alessandro fühlte sich noch klar genug, um selbst zu fahren.« Er hustete. »Es war eine grandiose Fehleinschätzung. Ich hätte es wissen sollen, ich hätte ihn daran hindern müssen. Oder wenigstens Elga daran hindern, zu ihm ins Auto zu steigen.« Glas klirrte. »Sie war sofort tot, ein gebrochenes Genick. Ich war eingeklemmt, Sandro hatte es hinausgeschleudert. Irgendwas hat angefangen zu brennen, heißes Öl, das auslief. Ich kann mich nicht erinnern.« Flannery konnte seinen Atem hören, der schwer und laut war, wie Schluchzen. »Ich habe mich befreien können, dann habe ich Elga aus dem Wagen gezerrt. Ich konnte nicht glauben, dass sie tot sein sollte. Ich glaube es heute noch nicht.«
Flannery wischte sich über die Augen. »Ist sie das, die blonde Frau auf dem Foto dort in Ihrem Zimmer?«
»Ja«, hörte sie sein Flüstern. »Sie war die Pflegerin meines Großvaters. Ich habe sie so sehr geliebt. Wir wollten heiraten.«
»Es tut mir leid«, sagte Flannery. Sie blinzelte die Tränen fort, die ihr bei seiner Erzählung in die Augen gestiegen waren. »Sie müssen ihn doch hassen. Ihren Bruder Alessandro.«
Er schwieg lange. Dann seufzte er. »Ich habe keine Gefühle mehr«, sagte er. »Ich bin tot, Flannery.«
Sie schwiegen. Nach einer Weile hörte sie, wie er sich bewegte, aufstand. »Ich danke Ihnen«, sagte er. »Sie haben mir zugehört und mir das Gefühl gegeben, ein Mensch zu sein, kein Gespenst. Vielleicht - vielleicht wage ich es sogar beim nächsten Mal, ein Licht
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