Toskanische Verführung (German Edition)
das Steuer gleiten. Er griff zum Zündschlüssel, startete den Motor und verharrte. Der Wagen war mit einem satten Geräusch angesprungen und bullerte jetzt im Leerlauf vor sich hin.
Flannery sah Alessandro fragend an. Worauf wartete er? Er blickte starr und mit plötzlich versteinerter Miene auf das Lenkrad. Seine Hände umklammerten es wie ein Ertrinkender die rettende Planke. Sein Gesicht war grau unter der Sonnenbräune und ihm traten Schweißperlen auf die Stirn.
»Signor della Gherardesca?«, fragte sie besorgt. »Geht es Ihnen gut?« Sie drehte sich zu ihm, berührte seinen Handrücken mit den Fingerspitzen. Er rührte sich nicht, sagte kein Wort, aber die Sehnen an seinem Hals traten hervor und seine Kiefermuskulatur arbeitete.
Dann, mit einer Heftigkeit, die sie erschreckt zurückprallen ließ, riss er die Hände vom Lenkrad, als hätte er sich verbrannt, stieß die Tür auf und stieg aus. Es glich mehr einer Flucht als einer kontrollierten Aktion, er fiel beinahe auf die Knie und stand einen Augenblick da, an die geöffnete Tür geklammert, bis er seine Gliedmaßen wieder unter Kontrolle hatte.
»Alessandro?«, rief Flannery, nun wirklich beunruhigt.
Er ließ die Tür los und ging zum Haus zurück. Bei den ersten Schritten bewegte er sich noch wie ein alter Mann, tastend, steifbeinig, dann wurde der Rückzug zur Flucht. Sie hörte, wie er einen erbitterten Fluch ausstieß, bevor er ins Innere des Hauses verschwand.
Flannery saß verblüfft da. Er kehrte nicht zurück. Sie beugte sich kopfschüttelnd vor und stellte den Motor ab, bevor sie ebenfalls ausstieg. »So viel dazu«, murmelte sie und wäre gerne zornig gewesen über die erneute grobe Zurückweisung, aber statt dessen war sie ratlos und ein wenig besorgt. Er hatte regelrecht krank ausgesehen.
Sie blieb vor dem Auto stehen und sah am Haus empor. »Wahrscheinlich hat er nur vergessen, sich seinen morgendlichen Schuss zu setzen«, sagte sie, und meinte es nur halb im Scherz.
Flannery war die Lust vergangen, einen Ausflug zu unternehmen. Sie schnappte sie sich den Picknickkorb und ein Buch und ging damit hinunter in die Badebucht.
Als es ihr zu heiß wurde, kehrte sie ins Haus zurück, setzte sich mit ihrem Notebook in einen der stillen Salons im Erdgeschoss und arbeitete an Phils Expertise. Der antike Schreibtisch, die dunklen, edlen Möbel, die ganze Atmosphäre in diesem kleinen Raum war wohltuend und beruhigend wie ein warmes Bad an einem kalten Tag. Sie hatte die Vorhänge vor der geöffneten Fenstertür zugezogen, das Licht filterte gedämpft herein und ein lindes Lüftchen sorgte dafür, dass es nicht zu stickig wurde.
Am frühen Abend trat sie auf die Terrasse und atmete tief durch, während sie sich streckte und die verspannten Schultern massierte. Sie fühlte sich rastlos und aufgedreht, aber gleichzeitig zu müde, um noch schwimmen zu gehen. Jetzt hätte sie gerne mit jemandem bei einem Glas Wein ein wenig geplaudert, hätte dann noch einen späten Spaziergang unternommen, um schließlich zufrieden und müde ins Bett zu fallen. Allein.
Flannery drehte sich um und stand dem Grafen gegenüber. Er sah nicht mehr ganz so elend aus wie am Morgen. »Gardner«, sagte er ohne Einleitung, »ich möchte mich entschuldigen. Ich habe Ihnen den Tag verdorben.«
»Das haben Sie«, sagte sie und lächelte, um ihren Worten die Spitze zu nehmen. »Was war los? Hatten Sie einen Termin vergessen?«
Er verzog den Mund. »Migräneanfall«, sagte er knapp.
Flannery konnte sehen, fühlen, riechen, dass er log, aber sie nickte. »Familienerbstück?«, fragte sie. »Meine Mutter hatte auch Migräne, sie hat sie meiner Schwester vererbt. Ich bin glücklicherweise nicht davon betroffen, das liegt wahrscheinlich an der stabilen Konstitution, die ich von meinem Vater habe.«
Er stand da, die Hände in den Taschen, und sah sie mit geneigtem Kopf an. Seine Miene war nicht zu deuten. »Erzählen Sie mir von Ihrer Familie«, sagte er.
»Hier im Stehen?« Flannery lachte und schüttelte den Kopf. »Ich bin hungrig und möchte früh ins Bett, Signor della Gherardesca.«
Er hatte ihren Arm genommen und zog sie mit sich, ehe sie ihn abwehren konnte. »Sie brauchen etwas zu essen«, sagte er. »Und ich will mich mit Ihnen unterhalten.«
Sie lachte, viel zu müde, um empört zu sein. »Sie sind ein Despot«, sagte sie.
»Ja.« Er schob sie durch den Kücheneingang. »Maddalena? Wir verhungern.«
Flannery erzählte ihm wirklich ein wenig von ihrer Familie und
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