Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)
ahnte, dass es darum jetzt nicht mehr gehen würde.
Der Schmächtige nutzte den Moment und drängte sich an mir vorbei. Er schlug die Tür zu und drehte den Schlüssel im Schloss herum. Ein schreckliches Geräusch. Jetzt saß ich in der Falle. Instinktiv flüchtete ich, als er zur Tür eilte, weiter ins Zimmer. Ich stand nun fast am Fenster, um Abstand von diesem Typ zu halten, der mehr denn je aussah wie ein armseliges Männchen.
Seltsamerweise habe ich ihn nicht einmal angeschrien.
Ich hätte ihn »Arschloch« nennen oder ihm irgendetwas Vulgäres an den Kopf knallen können. Aber ich brachte keinen Ton heraus.
Ich war also die Gefangene des Schmächtigen, der nicht nur unnatürlich dünn, sondern auch noch einen halben Kopf kleiner war als ich. Ich wusste: In meiner Tasche war ein Schlüssel, ich würde hier schon wieder rauskommen, aber wie würde ich zur Tür gelangen, ohne mit ihm in ein Handgemenge zu geraten?
Zum Glück dachte ich keine Sekunde daran, dass einer, der Frauen einsperrt, auch noch ganz anderes anstellen könnte und vielleicht ein Messer oder eine andere Waffe bei sich hat. Nein, ich hatte keine Angst. Ich fühlte mich nicht wie von einem potenziellen Vergewaltiger eingesperrt, sondern eher so, als sei ich durch einen dummen Zufall mit einem zappeligen Yorkshire-Terrier in ein Zimmer geraten, auf den ich zwar aufpassen musste, der mir aber nicht ernsthaft gefährlich werden konnte.
Der Schmächtige hatte offenbar auch keinen Plan, jedenfalls standen wir uns eine ganze Weile gegenüber. Wir bewegten uns keinen Millimeter. Irgendwann muss er sich gesagt haben, dass wir unmöglich stundenlang so dastehen konnten, jedenfalls kam er jetzt langsam auf mich zu, nicht wild entschlossen, eher zögerlich. Ich wich zurück, bis er mich so weit in die Ecke zwischen Bett und Fenster gedrängt hatte, dass ich halb auf der Nachttischlampe saß. Er sagte kein Wort.
Und dann ging doch alles ganz schnell: Als er die Arme nach mir ausstreckte, siegte mein Kampfgeist. Ich packte seine dürren Oberarme und beförderte ihn mit einem
festen Stoß rücklings aufs Bett. Ich weiß nicht, ob er vielleicht kurz die Hoffnung hatte, ich würde ihm gleich folgen, aber zumindest rappelte er sich nicht sofort wieder auf, was ich nutzen konnte, um aus dem Zimmer zu fliehen.
Ich rannte auf den Flur, und kaum war ich draußen, geschah etwas sehr Eigenartiges: Ich musste lachen. Ein lautes, herzhaftes Lachen, das mit jedem Schritt heftiger wurde. Einerseits kam es mir seltsam, weil unpassend vor, andererseits beruhigte es mich, weil mir das Lachen die Gewissheit gab, dass ich unbeschadet aus diesem Zimmer herausgekommen war. Ich lachte noch, als ich an der Rezeption ankam, wo ich zu meiner Erleichterung auf Katja stieß.
»Was ist denn mit dir?«, fragte sie eher genervt als besorgt.
»Ich hatte einen Nackten«, sagte ich und musste mir Mühe geben, nicht sinnlos weiter zu lachen.
»Wie nackt?«
»Ganz nackt.«
»Hat er dir was getan?«
»Er hat die Tür hinter mir abgeschlossen.«
»Ach du Scheiße. Und sonst?«
»Sonst nichts.«
Sie sah mich prüfend an. Ich erzählte ihr, wie ich mich befreien konnte und dass ich vor so einem armen Würstchen niemals Angst haben würde.
»Willst du was machen?« Sie überließ es mir, die Lage einzuschätzen.
»Ach was«, sagte ich, nicht so sehr um Tapferkeit bemüht,
sondern eher, weil ich wirklich keine Notwendigkeit darin sah, dass sich jetzt auch noch andere mit dem Schmächtigen beschäftigten. Katja nickte. »Kommt vor.«
Wir einigten uns, nicht weiter über den Vorfall zu sprechen. So kam es, dass außer Katja zunächst niemand von dem Vorfall erfuhr, der juristisch gesehen wahrscheinlich sexuelle Nötigung mit Freiheitsberaubung war. Keine Ahnung, wie das genau heißt und welche Art von Strafe die arme Wurst dafür verdient hätte. Der Schmächtige lief mir am nächsten Tag ohne das geringste Anzeichen von Scham über den Weg. Es sah sogar fast so aus,als wollte er grüßen, verkniff es sich aber in letzter Sekunde.
Eigenartigerweise hatte ich den Nackten schnell wieder vergessen. Er hat mich nicht traumatisiert. Ich kam nicht auf die Idee, seinetwegen die Polizei zu rufen, und auch Katja hatte das nicht vorgeschlagen. Nach ein paar Tagen sprach ich über den Schmächtigen wie Angler über Fische sprechen, nur dass mein Angreifer immer kleiner und dünner, immer lächerlicher und dümmer wurde, bis schließlich gar keine Gefahr mehr von ihm ausging.
Außerhalb des
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