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Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Titel: Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna K.
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Hotels habe ich die Geschichte nur ganz wenigen erzählt, und wenn ich dann zu hören bekam, »Aber so jemanden muss man doch anzeigen!«, wusste ich nicht, was ich sagen sollte.
    Es stand nie zur Debatte, die Sache so ernst zu nehmen, wie sie es vielleicht war. Ich befand mich in einer Parallelwelt, in der andere Zeiten und Gesetze gelten als für den Rest der Welt. Instinktiv hatte ich erkannt, dass man im Hotel als Frau lernen muss, über Dinge zu lachen, die definitiv nicht komisch sind.

Bitte mit Zucker
    Mit Nachsicht betrachtete ich die nachrückende Generation Azubis. Noch bevor wir fertig waren, kamen wieder junge Menschen ins Central, die genau wie wir drei Jahre später wieder abtreten würden. Auch sie würden lernen, das Hotel mehr oder weniger alleine zu schmeißen. Vorerst aber waren ein paar Basisregeln zu lernen, was nicht allen leicht fiel. Als ein Gast morgens einen Kaffee mit Milch und Zucker bestellte, setzte sich einer der Neuen in Bewegung, schüttete Milch und Zucker in eine Tasse, rührte um und schritt in Richtung Tisch, bis ich mich ihm, gerade noch rechtzeitig, in den Weg stellen konnte.
    Es war derselbe, der wenig später in einem Zimmer ein vergessenes Nachthemd unter dem Bett fand. Ordentlich wie er war, suchte er die Nummer des Gastes aus dem Hotelcomputer, wählte die Nummer und erklärte der Frau des Gastes, dass sie ihr Nachthemd vergessen habe und dass man es ihr selbstverständlich nachschicken werde. Es stellte sich rasch heraus, dass die Frau, mit der er sprach, kein Nachthemd vergessen hatte. Und auch gar nicht in Berlin gewesen war. Und von der Reise ihres Ehemanns dorthin wusste sie auch nichts. Ungefähr zwei Minuten,
nachdem er aufgelegt hatte, wurde unserem Azubi die Tragweite seines Anrufs bewusst. Er hatte gegen eine goldene Regel verstoßen: Rufe nie, nie, nie einen Gast zu Hause an. Er legte lachend und stöhnend den Kopf auf den Rezeptionstresen und flehte uns an, es bloß nicht Köster zu verraten. Wir taten ihm den Gefallen.
    Vier Monate vor dem Ende der Ausbildung zog ich in die Wohnung meines Vaters. Meine Siebzig-Quadratmeter-Wohnung war zu teuer geworden. Die Idee, zu meinem Vater zu ziehen, stammte von meiner Mutter, und ich fand sie gar nicht so schlecht. Ein Nicht-Scheidungskind hätte sicherlich ein Trauma erlitten, wenn es von der ersten eigenen Wohnung wieder zurück zu den Eltern hätte ziehen müssen. Weil mein Vater aber schon ausgezogen war, als ich sechs war, hielt sich das Trauma in Grenzen. Es kam mir gar nicht so vor, als kehrte ich nach Hause zurück, ich kannte das Zusammenleben mit ihm ja kaum. Und außerdem: Mein Vater war »sehr cool« für einen Vater, so sahen das zumindest meine Freundinnen. Er zog mit seinen Freunden – und er hatte viele davon – um die Häuser und fragte mich nie, wann ich wo mit wem gewesen war. Ich wohnte in seinem dritten Zimmer. Wir sahen uns nur manchmal am Abend, rauchten eine Zigarette zusammen und unterhielten uns über Politik, über Musik, über früher. Statt Miete zu zahlen, hielt ich die Wohnung sauber. Ich glaube, er war über unseren Deal genauso froh wie ich.
    Damit war meine Wohnstätte allerdings nur noch bedingt geeignet, regelmäßige Treffen mit Sara und Katja abzuhalten. Dass der eigene Vater hereinplatzt, wenn
man über Männer tratscht, gilt es unbedingt zu vermeiden, egal wie alt man ist. Mit Männerbesuch gab es damals keine Probleme: Die Beziehung zu Marc hatte sich ohne größere Schmerzen von selbst erledigt. Wir riefen uns irgendwann nur noch selten an und trafen uns noch seltener. Dass zwischen uns Schluss war, hat niemand von uns ausgesprochen, und so unbemerkt, wie es losging, endete die Geschichte auch wieder. Das Letzte, was ich von Marc vernahm, war, dass er in seinem Hotel tatsächlich übernommen wurde und damit seinem Traum, Hotelmanager zu werden, vielleicht ein Stückchen näher gekommen war.
    Je näher das Ende der Ausbildung rückte, umso häufiger trafen Sara, Katja und ich uns lieber auf einen Kaffee als zum Cocktail-Trinken. Meistens im Zimt und Zucker , einem Café mit viel Rot und jeder Menge romantischer Deko an den Wänden – und einer großen Auswahl selbstgebackener Kuchen. Ich bestellte mir fast immer einen Latte macchiato mit Vanillesirup. Ich bin meine Vorliebe für Süßes nie losgeworden. Früher bekam ich auf Klassenreisen die Sondererlaubnis, meinen eigenen Pott Nutella im Reisegepäck mitzunehmen. Etwas anderes akzeptierte ich nämlich nicht als Brotbelag.

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