Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)
Alle Bemühungen, die die Lehrer – es waren die achtziger Jahre – unternahmen, um mich mit dem Thema gesunde Ernährung vertraut zu machen, prallten an mir ab. Ich war geboren im Jahreskreis des selbst geschroteten Müslis und liebte nichts mehr als Schokoladencreme. Wurst oder Käse auf meiner Stulle verweigere ich bis heute.
»Was haben wir jetzt eigentlich gelernt?«, sinnierte
Katja hinter dem Qualm ihrer Marlboro Light, als wir wieder einmal in den weichen Kissen des Zimt und Zucker saßen. »Im Ernst: Was hat das alles gebracht?«
Nach einem tiefen Zug aus meiner Mentholzigarette und einem bedächtigen Ausatmen antworte ich: »Tische eindecken, Besteck polieren, Laken abziehen, Laken aufziehen, unter die Klobrille gucken, an den Käse in der Minibar denken, an den Käse am Buffet denken. Das haben wir gelernt.«
»Und alles immer bitte gleich, bitte recht freundlich«, ergänzte Sara. »Lächeln haben wir gelernt! Ein freundliches Gesicht machen, immer.«
Ich schwieg eine Weile. Ich hatte noch etwas anderes gelernt: Wenn mir die Sache mit dem Nackten vor drei Jahren passiert wäre – ich wäre in Tränen ausgebrochen und danach drei Tage zu Hause geblieben. Ich war ein bisschen stärker geworden. Härter. Ich hatte gelernt, dass ich viel mehr aushalte, als ich für möglich gehalten hätte.
»Und was machen wir jetzt?« Irgendeine stellte die Frage immer, wenn wir uns in diesen Wochen trafen.
»Du kannst es ja noch mal mit den Immobilien versuchen«, sagte Sara und ich musste lachen, weil ich schon erwartet hatte, dass sie mich piesacken würde.
Sara war Meisterin in der Kunst des Stichelns. Ich gab mir Mühe, darin Fortschritte zu machen. Wobei ich es einmal, ohne es zu wollen, zu einem wahren Highlight an Boshaftigkeit brachte.
Katja hatte Geburtstag, und wir waren im Zimt und Zucker verabredet. Ich kam etwas zu spät, und das Erste,
was mir auffiel, war: »Was haben die denn hier neuerdings für einen scheußlichen Tischschmuck?«
Auf dem Tisch stand ein Blumengesteck in lila und mintgrün, mittendrin steckte ein hellgrünes Hühnchen mit Strasssteinen. Der Satz war so schnell draußen, dass ich ihn gar nicht hatte kommen sehen, und als ich sah, wie Katja vor Schreck den Mund aufriss, was ihr nur selten passiert, ahnte ich, dass etwas nicht stimmte: »Der scheußliche Tischschmuck ist mein Geschenk für Katja, meine Liebe«, sagte Sara nur.
Wenn wir uns im Café trafen, waren wir uns einig, dass wir alle einen Job außerhalb des Hotels wollten. Und wir waren uns ebenso einig, dass wir das nicht schaffen würden. Klar war aber auch, dass ein Job an der Rezeption oder in der Reservierung, im Sales oder Marketing für uns nicht infrage kam. An die Rezeption wollen alle Azubis nach ihrer Ausbildung, weil man dort ein Kostüm oder einen Anzug trägt, ab und zu mal englisch sprechen darf und dieser Job in der Hackordnung des Hotels schon mal ein bisschen weiter oben steht. Aus unserer Berufsschulklasse kannten wir nur eine Einzige, die es mit einer festen Stelle an die Rezeption ihres Ausbildungshotels geschafft hat. Wir waren uns einig, dass sie unglaublich gut aussah. Kein Mensch bezweifelt, dass in der Hotellerie die guten Jobs auch nach dem Aussehen vergeben werden. Vor allem natürlich in den Fünf-Sterne-Häusern. Man weiß ja, was der Gast sehen will, wenn er ein Haus betritt, dessen Zimmer dreihundert Euro aufwärts kosten. Sicher keine schüchterne alte Jungfer mit Hautproblemen.
Wir empfanden uns alle drei als durchaus ansehnlich und versicherten uns das auch ständig gegenseitig. Aber es wäre nicht möglich gewesen, so gut auszusehen, dass es den Nachteil einer Drei-Sterne-Ausbildung ausgeglichen hätte.
»Was können wir denn am besten?«, fragte Katja in die Runde.
»Putzen«, antwortete ich trocken und fand es nicht einmal komisch. Weil es stimmte: Ich war gut darin, die Zimmer zu checken, den Zimmermädchen die Kleinigkeiten nachzuweisen, mit denen sie sich fünf Minuten Zeit oder ein lästiges Bücken ersparen wollten.
Sara nickte. »Stimmt schon. Außerdem: Willst du jeden Tag vierzehn Stunden am Empfang stehen und immer nur Check-in, Check-out machen? Wie spannend ist das denn? Wenn du was über die Leute lernen willst, dann musst du in die Zimmer gehen.«
Wir sprachen es nie aus. Wir verabredeten es nicht. Aber ein paar Latte macchiato mit Vanillesirup später war klar, dass wir es alle drei im Housekeeping versuchen wollten. Ich, weil ich mir nichts anderes zutraute,
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