Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)
Wäschekammer zugleich Danas Büro, Umkleidekabine und Zufluchtsort, hatte der Wäscheraum des Royal, in dem ich meine Dienstkleidung bekommen sollte, die Ausmaße einer Kaufhausetage. Hunderte Hosen, Blusen, Westen und Sakkos hingen in langen Reihen parat, und ein junges Mädchen war nur dafür da, Kleidung und Wäsche auszugeben. Alles, was den Raum verließ, trug sie in eine dicke Kladde ein. So stellte ich mir das an einem Filmset vor, dachte ich mir in einem kleinen euphorischen Moment. Ich bekam Bluse und Rock und die blaue Weste, die ich von jetzt an jeden Tag tragen sollte und die mich für jeden, der hier arbeitete, als eine von denen kennzeichnete, die fürs Putzen zuständig sind. Bevor ich den neuen Look im Spiegel begutachten konnte, rief Frau Gabriel: »Die Haare!«
Ich schaute sie erstaunt an. Was hatte sie gegen meine Haare?
Sie wies auf meine Frisur. »Geht nicht.«
Sie schien eine Freundin der knappen Sätze zu sein. »Lieber ein ordentlicher Zopf.«
Ich wunderte mich, denn ich war nicht der Typ für nachlässige Frisuren und wusste, dass ich heute keinen Bad-Hair-Day hatte. Vermutlich hatte der Wind die Haare ein bisschen zerzaust, was man hier aber offenbar auf keinen Fall durchgehen lassen wollte.
Ich tat wie gewünscht und nestelte noch an meinem Fünf-Sterne-Zopf, als sie schon wieder loslegte.
»Wir haben jetzt Morgenmeeting.«
Wir verließen die Kellergänge des Hotels durch eine Stahltür, die ich mir auch in Staatsbanken nicht dicker vorstelle, und standen mitten in einem Gang mit flauschigem, hellrotem Teppich, der jedes Trittgeräusch verschluckte. Die vierte Etage war zur Hälfte für Büros und Besprechungsräume reserviert. Lautlos glitt Frau Gabriel vor mir her.
»Wir holen jetzt die Zimmerlisten und die Schlüssel von Frau Schmalberg, das ist die Hausdame vom Hotel.« Zimmerlisten, ich nickte, das kannte ich vom Central. Darauf wurde erfasst, welches Zimmermädchen wo und wann zum Einsatz kommt.
Frau Schmalberg saß in ihrem Büro hinter einer Milchglasscheibe und blickte kaum auf, als wir eintraten. Sie war eine schlanke, gut aussehende Frau. Das lange helle Haar hatte sie streng zu einem Bauernzopf geflochten, der dick und glatt auf ihrer linken Schulter ruhte. Sie trug eine Brille aus Horn, der man ansah, dass hier jemand auf Seriosität und Strenge bedacht war. Diese Frau Schmalberg sah aus wie eine Frau, die sich ein bisschen hässlicher macht, als sie ist, um ernst genommen zu werden. Das Ergebnis war ein ziemlich gut getroffener Altherrentraum einer Sekretärin.
Weil sie mich nicht beachtete, überlegte ich ernsthaft, ob ich hätte sagen sollen: Hallo, ich bin die Neue. Aber ich sagte nichts, und Frau Gabriel stellte mich auch nicht vor. Mit ihr ging es weiter in einen Besprechungsraum,
in dem schon gut fünfzig Leute zusammenstanden und leise miteinander sprachen. Männer entdeckte ich nur zwei. Die meisten Frauen waren zwischen zwanzig und dreißig – offenbar war das hier kein Arbeitsplatz, an dem man alt wurde. Niemand drehte den Kopf nach uns um, als wir eintraten, niemand unterbrach sein Geflüster, und so stellte ich mich einfach stumm an den Rand zu einer Gruppe Zimmermädchen, die einen blauen Kittel über der schwarzen Hose trugen und ein blaues Band im Haar. Ich war froh, dass Frau Gabriel die Sache mit den Haaren nicht dazu genutzt hatte, mir auch so ein Band zu verpassen.
Kurz nach uns kam Frau Schmalberg in den Raum gestürzt. Jetzt waren auch ihre große, schlanke Gestalt und ihre auffällig langen Armen erkennbar. Sie wirkte in ihrer Schlaksigkeit wie eine übermotivierte Heuschrecke, schob sich nach vorne durch und musterte die Anwesenden kritisch. Es wurde still im Raum.
»Wir haben eine neue Kollegin, Anna K. von der Firma Plan-FF. Herzlich willkommen.«
Sie wusste also doch, wer ich war, auch wenn es eben noch für einen persönlichen Gruß nicht gereicht hatte. Heuschrecken, dachte ich, müssen vielleicht gar nicht den Kopf wenden, um einen zu sehen. Sie streckte ihren Arm nach mir aus und zog ihn so schnell wieder zurück, dass kaum einer ihrem Fingerzeig folgen konnte. Das war schon die ganze Vorstellung. Woher ich kam, was ich gemacht hatte – das interessierte nicht. Gut, dachte ich, ich bin ja hier auch nicht bei einem Kennenlern-Dinner, und gab mir Mühe, mich nicht zu ärgern.
Einige Zimmermädchen musterten mich jetzt unverhohlen neugierig. Das mussten also »meine« Mädchen sein, mit denen ich von nun an jeden Tag zusammen
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