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Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Titel: Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna K.
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zurückgerufen.
    »Wo kommst du eigentlich her?«
    Eine messerscharfe Stimme in meinem Rücken ließ mich herumfahren. Vor mir stand ein Mann Ende dreißig, der seine braunen Locken mit auffällig viel Gel an den Kopf geklebt hatte. Ich hatte ihn mittags schon gesehen, als er nach uns ins Büro von Frau Schmalberg ging. Er hob jetzt beide wohlgeformten Augenbrauen vorwurfsvoll in die Höhe und sah mich an, als habe er ein neues, seltenes Insekt entdeckt.
    »Äh, aus Berlin.«
    Er lachte schallend, als hätte ich gerade einen großartigen Witz gemacht. Ich versuchte wenigstens mitzulächeln.
    »Ich meinte, wo du gelernt hast? Du hast doch irgendwo gelernt, oder nicht?«
    Ich hatte keine Lust, besonders freundlich darauf zu antworten, also sagte ich nur »Im Central«, was für meinen ersten Arbeitstag ein bisschen mutig war, immerhin war er ein Vorgesetzter, daran konnte kein Zweifel bestehen, auch wenn er sich mir nicht vorgestellt hatte.
    Sein Gesicht verzog sich, als habe er auf einen Kirschkern gebissen.
    »Im Central«, wiederholte er. »Drei Sterne.«
    Er spuckte mir den Kern vor die Füße.
    »Drei Sterne«, wiederholte er noch zwei Mal leise, nachdem er mich schon hatte stehen lassen, und schlenderte davon.

Geht aufs Zimmer
    In meiner neuen Umgebung fiel mir zuerst auf, dass ich niemandem mehr auffiel. Es passierte gleich am zweiten Tag: Ich schlenkerte mein Staubschwert auf dem Gang, bereit, jedes, aber auch wirklich jedes vergessene Staubkorn persönlich zu erwischen, und fühlte mich ein bisschen wie eine Comic-Heldin auf der Jagd nach dem fiesen Gangster. Aus einem der Zimmer trat ein Mann, Mitte dreißig, hellgrauer Anzug, BlackBerry einsatzbereit, und machte sich auf den Weg in Richtung Fahrstuhl. Ich grüßte ihn und hätte ihn sicher gleich wieder vergessen, wenn nicht etwas Seltsames geschehen wäre. Er musste meinen Gruß gehört haben, denn er schaute nicht nur in meine Richtung, er schaute mich direkt an. Er starrte förmlich in mein Gesicht, aber er sah dort offenbar nichts, denn aus seinem Mund kam kein Gruß zurück. Er murmelte nicht einmal etwas, was man mit viel gutem Willen noch als Gruß hätte interpretieren können. Er nickte mir auch nicht zu.
    Es war, als sei ich gar nicht da. Es war, als sei meine Kleidung ein Tarnanzug, durch nichts zu unterscheiden von dem Muster der Tapeten und Teppiche. Zwar trug ich nicht den Kittel der Zimmermädchen, der sie für
jedermann sichtbar auf das Niedrigste reduzierte, was ein Hotel zu bieten hatte, aber wer mich mit meinen Laken, Ersatzhandtüchern und Duschgelfläschchen auf den Gängen sah, wusste auch, was für einen Job ich hatte.
    Vielleicht war mir etwas Ähnliches schon mal im Central passiert. Dass Gäste zu sehr mit sich beschäftigt sind, um auf jeden Gruß zu reagieren, mag ja sein, und auch sonst gibt es ja überall, sogar in Berlin, Menschen, die nicht in jeder Sekunde ihres Lebens durch Freundlichkeit auffallen. Aber es war ganz sicher das erste Mal, dass mir jemand so direkt gegenüberstand und mich trotzdem nicht sah. Der Mann war mir ja fast in die Arme gelaufen. Als ich grüßte, waren wir ungefähr einen oder anderthalb Meter voneinander entfernt.
    Hatte er mich vielleicht wirklich nicht gesehen? Die Flure waren jedenfalls hell ausgeleuchtet, auch schon am frühen Morgen. Oder hatte er mich nicht gehört? Unwahrscheinlich: Ich war neu und hatte mir tatsächlich fest vorgenommen, laut und deutlich und freundlich zu grüßen, Credo-Karten-Unsinn hin oder her.
    Kurz war ich versucht, dem Gast hinterherzulaufen, ihn zu stellen und zu fragen, warum er nicht grüßt. Doch da kam mir in den Sinn: Vielleicht ist er ja taubstumm? Doch, doch, sagte ich mir, auch junge, smarte Anzugmänner, die morgens um sieben in Fünf-Sterne-Hotels zum Frühstück eilen, können taubstumm sein, warum denn nicht?
    Etwas verloren blieb ich im Flur zurück, meine Lanze im Kampf gegen den Missetäter verwandelte sich zurück
in das, was sie war, ein stoffbespannter Stiel zum Staubwischen.
    Der zweite Nichtgrüßer begegnete mir schon eine halbe Stunde später, und es kamen an meinem zweiten Tag noch ein dritter, ein vierter und ein fünfter hinzu, danach hörte ich auf zu zählen. Es war faszinierend und verstörend zugleich.
    Das Vortages-Credo hätte noch einen Zusatz verdient. »Wir achten und begrüßen jeden Gast, den wir sehen. Wir grüßen immer, auch dann, wenn es uns schwer fällt, weil wir schon ahnen, dass der Gast, der da an uns vorbeihastet, in

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