Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)
von der leichter zu knackenden Sorte, jedenfalls machte sie keine Anstalten, mich als Neue erst mal leiden zu lassen, im Gegenteil. »Wir sehen uns dann wohl öfter hier«, sagte sie, und das gefiel mir.
Frau Gabriel und die Hausdamenassistentinnen teilten die Zugangskarten an die Mädchen aus, mit denen sie die zu reinigenden Zimmer betreten konnten. Die Karten waren codiert und nur für jeweils eine Etage gültig. Frau Gabriel und wir hatten eine Generalkarte. Die Extras gab Frau Gabriel mündlich weiter: »Allergiebettwäsche in die 304, Zustellbetten in 500, 510, 517 und 622, Kinderbett heute neu nur in 316 und 512, Hunde-Treatment in 608.« Hunde-Treatment? Im Central war es nicht erlaubt, seinen Köter mitzubringen, aber hier gab es eigens eine feine Decke und Fünf-Sterne-Trockenfutter. Später erzählte mir Nadine, dass es Stammkunden gibt, die darauf bestehen, dass ihre Hunde beim Check-in mit Namen begrüßt werden.
»Und in der 602 ist bis Freitag Herr Wagner«, sagte Frau Gabriel. Ein leises Raunen und Stöhnen ging durch die Reihen und Frau Gabriel hob entschuldigend die Arme. Herr Wagner, auf den durfte ich also gespannt sein.
Nadine lächelte mir zu und steckte beide Daumen in ihre Fäuste, als sie loszog. Ich würde den ersten Tag mit Frau Gabriel verbringen.
»Es gibt hier keine Putzwagen, das sieht nicht gut
aus«, erklärte sie mir. Wir durften also nicht, wie in anderen Hotels üblich, Rollwagen nutzen, auf denen wir Materialien und Putzzeug stapeln konnten. Stattdessen gab es Wäschekammern am Ende eines jeden Gangs. Sie wurden »Office« genannt. Schöner Name für einen Wäscheschrank, dachte ich. Aber ich war ja jetzt im Facility Management und zu einem Manager passte ein Office natürlich besser.
Schnell begann ich zu ahnen, dass das Putzen und Checken ohne Wagen vielleicht optisch die schönere Lösung war, aber für mich und die Mädchen ganz sicher auch die anstrengendere. Für jedes fehlende Handtuch musste man die langen, plüschigen Gänge auf und ab rennen, und weil niemand Zeit zu verschenken hatte, nahm man am besten gleich die Wäsche für fünf oder zehn Zimmer mit.
Die Flure im Royal ähnelten sich sehr, vielleicht zu sehr, sodass man auf jeder Etage eine andere Teppich- und Wandfarbe gewählt hatte. Anders als im Central waren die Flure hier breit und hell. Auf jedem Treppenabsatz standen Sesselchen, mit feinem Stoff in der Etagenfarbe bespannt, und selbst die Bilder in den Zimmern waren nicht ganz so scheußlich wie die im Central. Wir überprüften an diesem Tag zuerst die Clean-Zimmer. So heißen jene Zimmer, die in der Nacht zuvor nicht benutzt und schon vor einiger Zeit geputzt worden waren. Fernsehzeitung auf das richtige Datum drehen, ein kurzer Blick ins Bad, fertig. Eigentlich. Pech war, wenn für den Vorabend eine Anreise geplant war und der »Turn down« gemacht wurde: Abends wurden die Vorhänge zugezogen und die
Fußdeckchen vor dem Bett ausgebreitet, die Hausschuhe rausgelegt und die Tagesdecke verschwand im Schrank. Und dann waren doch keine Gäste gekommen.
Frau Gabriel fuhrwerkte mit einem lanzenähnlichen, mit Stoff bespannten Gegenstand in den Ecken herum. »Unser Staubschwert«, erklärte sie. »Das nimmst du ab morgen auch.«
Willkommen im Ritterorden der Sauberkeit, sagte ich zu mir selbst.
Als wir später vor der 602 standen, fiel mir Herr Wagner wieder ein.
»Was ist das für einer?«, fragte ich Frau Gabriel, als wir eintraten. Sie verzog das Gesicht.
»Der ist speziell«, sagte sie nur und ging zielstrebig in den Raum. Mein Blick fiel auf den Sessel. Er stand nicht wie in den anderen Zimmern auf derselben Höhe wie das Tischchen mit der Glasplatte, parallel zur Gardine und in angemessenem Abstand zu Bett und Schreibtisch, sondern war in Richtung Bett herumgedreht. Auf der Lehne saß ein Plüschtier, ein kleiner, graubrauner Spielzeughund, und guckte mit trüben Augen in Richtung Bett. »Das ist Floppy.« Frau Gabriel zuckte nicht mit der Wimper. »Herr Wagner will, dass wir ihn immer so hinsetzen, dass er das Bett im Blick hat. Und den Schlafanzug dürfen wir auch nicht vergessen«, sie wies auf das Bett. Darauf lag ein himmelblauer Schlafanzug, ordentlich gefaltet. »Der muss immer so daliegen.«
Mich fröstelte. Hoffentlich würde ich diesem Wagner nie alleine im Zimmer begegnen.
Ich war an meinem ersten Tag vierzehn Stunden ohne
Pause auf den Beinen. Als ich abends die Verbindungstür zu den Personalgängen aufschob, wurde ich
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