Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)
Art: Frauen, die immer zu Diensten sind, ohne jeden Widerspruch. Wir erfüllen ja auch sonst jeden Wunsch. Und: Je jünger die Frau und je niedriger ihr Status, umso derber die Anmache.
Ich möchte all jenen Männern mit Zimmermädchenphantasien eine Illusion rauben: Niemand träumt von
euch. Niemand. Ich habe Hunderte von Frauengesprächen im Hotel miterlebt, und es ging um alles, aber es ging nie um einen Gast, der eine besondere Faszination auf eine von uns ausgeübt hätte oder zu dem man sich gerne mal ins Bett gelegt hätte.
Die Chance, ein Zimmermädchen zum Sex zu überreden, ist nicht größer als die, eine wildfremde Frau auf der Straße zum Sex zu überreden. Nur dass es sich die Männer auf der Straße nicht trauen, weil ihnen eine Handtasche, ein Regenschirm oder ein paar unschöne Worte entgegenfliegen könnten.
Im Hotel zeigt sich die hässliche Fratze der Männlichkeit, und in der gehobenen Hotellerie zeigt sie sich mit Abstand am deutlichsten. Eine Nacht im Hotel scheint für den allein reisenden Mann eine harte Prüfung zu sein: Schaffe ich es oder schaffe ich es nicht, mich zu benehmen? Ich glaube, nicht viele bestehen diesen Test.
Die Hotels kennen natürlich die Phantasien, die wir auslösen.
»Je blonder du bist, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass du an der Bar arbeitest«, so sagte es einmal eine Kollegin.
Kein Restaurantleiter verweigert einem wohlhabenden Gast den Wunsch, heute nur von »der Kleinen dahinten« bedient zu werden. Und wenn dieser ihr dann an den Hintern fasst, wird ebenjener Restaurantleiter das mit großer Wahrscheinlichkeit nicht sehen.
In den meisten Hotels drohen dem Gast keinerlei Konsequenzen. Er weiß, dass die Frauen, die er da belabert oder belästigt, nichts sagen werden. Nichts sagen dürfen.
Das Management duldet, dass Männer junge Frauen belästigen. Würden sie einschreiten, könnte ihnen passieren, was sie am meisten fürchten: Sie könnten einen gut zahlenden Kunden verlieren.
Als ich im Royal anfing, hatte ich mir vorgenommen, mindestens drei Jahre zu bleiben. Das macht sich besser im Lebenslauf, sagte ich mir. Aber je länger ich im Royal arbeitete, umso sicherer war ich mir, dass ich das nicht schaffen würde. Vielleicht wären ja auch zwei Jahre genug, oder sogar noch weniger? Es ereignete sich schließlich ein Vorfall, der mich in diesem Entschluss nachdrücklich bestärkte.
Schon in der Ausbildung lernte ich, dass der korrekte Gebrauch der Klobürste nicht jedem Gast bekannt war. Auch die Tatsache, dass manchmal Spuren an Stellen der Toilette zu finden waren, die ein Normalsterblicher oder Normalverdauer niemals treffen würde, akzeptierte ich irgendwann. Mochte es einfach gelenkigere Toilettenbesucher geben.
Leider reizte aber nicht nur die für diese Zwecke bekanntlich vorgesehene Toilette die Gäste zur Verrichtung der täglichen Bedürfnisse. Es kam vor, dass in den Betten etwas danebenging. Manchmal war der Abfluss in der Dusche seltsam verstopft, und mehr als einmal hatten Valentina und ihre Kolleginnen schimpfend die Mülleimer mit überraschendem Inhalt auf den Flur gestellt.
»Wer macht denn so was?«, hatten wir uns dann immer gefragt. Wer schon? Offenbar Leute, die beim Check-in nachfragen, wie lange die Bar geöffnet hat, die gerne ein Badelaken mehr hätten, die sich im Spa massieren
lassen und beim Frühstück zwei Spiegeleier essen – ganz gewöhnliche Gäste halt.
Es war ein Montag in meinem achten oder neunten Monat im Royal, ich hatte tatsächlich am Wochenende frei gehabt und war mit meinem Bruder beim Sport gewesen, hatte bei meiner Mutter Kaffee getrunken und Sonntag mal wieder richtig ausgeschlafen.
Alles verlief so wie immer, das Morgenmeeting, das Credo (»Wir lassen unseren Gästen ein Höchstmaß an persönlichem Service zuteilwerden und erahnen alle ihre Wünsche«), die Teambesprechung mit Frau Gabriel. Ich war heute für die Etage zuständig, in der die VIPs untergebracht wurden, Prominente, Schauspieler, Vorstände aus großen Firmen, die man auch manchmal im Fernsehen sah, Moderatorinnen von Celebrity-Sendungen und steinreiche arabische Familien.
Ich beschloss, noch schnell auf der Feuertreppe eine zu rauchen und erst dann in meine Etage hochzugehen, aber zu dieser Zigarette kam ich nicht mehr. Schon als ich aus dem Fahrstuhl trat, stieg mir der Geruch in die Nase. Ich mag eine besonders feine Nase haben und gehe damit sicher auch manch einem auf die Nerven. (»Puh, hier mieft’s, du musst mal
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