Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)
verhassten Bademänteln.
Es war auffallend, wie oft vor allem Männer am frühen Abend unter der Dusche standen. Im Royal begegneten
mir ständig welche, die nur ein kleines Handtuch um die Hüfte geschlungen hatten. Das kannte ich von den Männern aus meinem privaten Umfeld nicht. Die duschten entweder am Morgen oder zogen sich nach dem Duschen auch wieder an. Fünf-Sterne-Männer sind ganz offenbar ein Musterbeispiel an Reinlichkeit. Oder duschten die nur, weil sie wussten, dass gleich noch ein Zimmermädchen vorbeikommt?
»Möchten Sie nicht noch einen Moment bleiben?«
Mich traf fast der Schlag, als der Typ mir diese Frage stellte. Ein untersetzter Mittvierziger mit lichtem Haarkranz – ein Mann, den man auf der Straße übersehen würde und dem man, träfe man ihn bekleidet im Fahrstuhl, nichts Böses zutrauen würde. Er stand im Bademantel vor mir, aber er hantierte mit der Kordel herum, sodass es nur noch eine Frage von Sekunden war, bis das Frotteestück sich öffnen würde wie ein Vorhang. Ich dachte an den Nackten im Central und trat sofort den Rückzug an, auch wenn ich die Tagesdecke noch gar nicht ordentlich in den Schrank gelegt hatte, aber das war mir in dem Moment dann auch egal.
Situationen wie diese erlebte ich im Royal immer wieder. Auch sehr beliebt war die Frage, welcher Service denn im Turn-Down-Service noch enthalten sei.
»Was können Sie mir denn noch so bieten?«
Alles immer mit einem Lächeln vorgetragen. Ich tat stets, als hätte ich die Frage gar nicht gehört. Und tatsächlich war ich bald ziemlich gut im freundlichen Überhören – und wurde beim Tagesdeckeweglegen ein Wunder an Schnelligkeit.
Heute frage ich mich, warum ich diesen Mist so einfach erduldet habe. Warum kam ich gar nicht mehr auf die Idee, die Nackten unten an der Rezeption zu melden, auf dass sie nie wieder nackt eine Tür öffnen und eine Frau mit schmierigen Angeboten zum Bleiben aufforderten? Ich glaube, ich tat es nicht, weil ich irgendwann tatsächlich geglaubt habe, das sei normal. So sind die Menschen. Man muss sie lassen. Nach nur sechs Monaten im Luxushotel hatte sich mein Menschenbild eindeutig verändert.
Der Room-Service hatte in dieser Hinsicht noch weniger Spaß als wir. Ich weiß, dass manche weiblichen Angestellten sich weigern, nach Einbruch der Dunkelheit noch etwas in die Zimmer zu bringen. Ein männlicher Gast, der nachts um halb drei einen Tee bestellt, hat ja keinen blassen Schimmer, was er damit beim Zimmerservice für ein Unwohlsein verursacht.
Es gibt zwar ein Gäste-Warn-System, ein Notizsystem im Hotelcomputer, in dem vermerkt wird, wenn ein Gast eincheckt, der schon einmal Frauen belästigt hat. Es ist aber ganz schön schwierig, einen solchen Eintrag zu bekommen. Nur mal nackt die Tür geöffnet zu haben reicht dafür jedenfalls nicht aus.
Das Erregungspotenzial, das von unserem Berufsstand ausgeht, ist enorm. Wer das nicht glaubt, der gebe bitte mal »Zimmermädchen« bei der Google-Bildersuche ein. Was man da zu sehen bekommt, hat mit dem Alltag von Zimmermädchen nichts zu tun. Kostüme sind das. Ich wüsste nicht, in welchem Hotel jemand so kurze Röckchen und geschnürte Mieder als Berufsbekleidung trägt.
Die Bildersuche führt einen auch zu einem Foto auf Welt Online, auf dem man einem Zimmermädchen (in Phantasieuniform) halb unter den Rock schauen kann. Das Mädchen sitzt einem Gast fast auf dem Schoß, und der Gast, das Hemd halb aufgeknöpft, hat sich zurückgelehnt und reicht der Frau Feuer. Bildunterschrift: »Wie dieser Hotelgast würden wohl die meisten Männer reagieren, wenn sich ein hübsches, junges Zimmermädchen auf ihr Bett setzt.« Ach ja, womöglich auf das eines hässlichen, alten Welt-Online-Redakteurs? Das Ganze wurde nicht im Jahr 1956 veröffentlicht, sondern im Jahr 2010. Wie viele Pornos von Zimmermädchen handeln, will ich gar nicht erst wissen.
Was genau ist es, was Menschen, die anderen ein Zimmer säubern, einen Tee bringen oder eine Cola in die Minibar stellen, zu einer so beliebten Wichsvorlage macht? Glauben unsere Gäste wirklich, wir seien leicht zu haben? Und wie passt es zusammen, dass die gleichen Männer, die uns morgens übersehen, uns abends, wenn wir noch mal die Vorhänge glatt ziehen, unvermittelt zum Sex auffordern? Glauben sie wirklich, dass von ihnen, weil sie in einem Zimmer übernachten, das für uns unerschwinglich teuer ist, ein unwiderstehlicher Reiz ausgeht?
Wir sind die ideale Projektionsfläche für Phantasien aller
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