Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)
entscheidenden Moment, in dem mir meine Kompetenzüberschreitung blumig dargelegt wurde, die Augen verdreht hätte, wären wir vielleicht glimpflicher davongekommen.
Frau Schmalberg hatte es natürlich sofort gesehen. Sie unterbrach ihre Vorwurfsorgie.
»Warum verdrehst du die Augen?«, herrschte sie Nadine an.
»Mach ich doch gar nicht.«
»Doch natürlich, ich hab dich doch gesehen.«
»Tu ich nicht. Sorry.«
»Jetzt grinst du auch noch.« Nadine grinste tatsächlich.
»Was machst du hier eigentlich?«, jetzt fiel es ihr doch auf. »Statt deine Arbeit zu machen, stehst du hier herum und mischst dich in Dinge, die dich nichts angehen.«
Nadine zuckte mit den Schultern. »Ich will nur helfen«, sagte sie ruhig.
Die Schmalberg bekam einen Tobsuchtsanfall erster Klasse. Dann warf sie uns aus ihrem Büro. Regina Gabriel hüpfte uns hinterher, als wollte sie keine Sekunde alleine mit der Schmalberg im Zimmer bleiben.
Wir bogen zweimal um die Ecke, blickten zurück, ob uns auch keiner sah, nahmen uns in den Arm und heulten und lachten. Frau Gabriel stand daneben und sah aus, als wollte sie auch in den Arm genommen werden.
Ich bekam eine schriftliche Abmahnung. Ich möge keine Kolleginnen anschwärzen, noch dazu ohne Grund. Ohne Grund! Und mein Tonfall in diesem Hause sei generell bedenklich.
Es war wie immer: Im Hotel wird diktiert, von oben nach unten. »Mitreden« ist ein Fremdwort. Einen Betriebsrat gab es auch nicht, nicht einmal für die Hausangestellten. Die einzigen Gewerkschafter, die mir im Hotel je begegnet sind, kamen zu Tagungen und Konferenzen und hatten für ihre Zimmer einen besonders guten Rabatt verhandelt.
Nach einer Woche ungefähr war die Schmalberg wieder wie immer: abweisend, aber nicht unhöflich. Sie bemühte sich sogar um Small Talk mit mir, aber mein Interesse daran war eher gering. Laura putzte immer noch schlecht. Hörte ich. Sie kam auf eine andere Etage und wechselte nach ein paar Wochen in den Service.
Meine Mut-Maxime hatte sich also doch gelohnt: Eine Abmahnung gegen Lauras Wechsel in den Service war kein schlechter Deal, wie ich fand.
Barzahlung möglich
Ich war gerade dabei, neue Kugelschreiber auszulegen und frisches Briefpapier in die Mappen zu stecken. In der dritten Etage brachte das Haus für gewöhnlich die Gruppen-Reisenden unter, und die, die im Internet ein günstiges Angebot buchten. Die dritte Etage war mit Abstand die hässlichste im Hotel. Weinrotes Holz bis zur Decke und dazu gelbe Bettwäsche und Gardinen – wer sich dieses Interieur ausgedacht hatte, muss ungute Träume gehabt oder den Gästen ebensolche gewünscht haben. Die Gäste, die hier günstig schliefen, steckten alles ein, da war kein Kugelschreiber, keine Duschhaube, keine Einmal-Nagelfeile und kein Paar Frottee-Pantoffeln zu hässlich, es ging alles mit.
Valentina sah aus, als hätte sie versehentlich am Putzmittel genippt, so bleich stand sie vor mir. Ich möge doch mal mitkommen in Zimmer 804. Sie habe etwas Schreckliches gefunden. Nicht schon wieder Haare, dachte ich kurz, ahnte aber, dass Valentina dann nicht so erschrocken gewesen wäre. Ich wusste auch, dass sie auf Dildos gelassener reagierte. Ich dachte an den Toten aus dem Central.
Wir eilten gemeinsam in die achte Etage. Als wir in
Zimmer 804 ankamen, standen sechs oder sieben Zimmermädchen in der Tür, wild durcheinander schnatternd. Ich schickte die Mädchen bis auf Valentina weg. Sie sollten kein Aufsehen erregen, was auch immer hier los war. Wenn es dafür nicht längst zu spät war.
Nadine stand mitten im Zimmer. Sie hatte einen Packen gelber Scheine in der Hand. Zweihundert-Euro-Scheine – ich wusste vorher gar nicht, dass die gelb sind. Im offenen Safe lagen noch mehr davon.
»Ist das echt?« Ich tippte die Scheine vorsichtig mit den Fingerspitzen an. Nadine konnte die Frage nicht beantworten. Sie hatte in ihrem Leben noch nicht mehr Zweihundert-Euro-Scheine gesehen als ich.
So viel Geld, schoss es mir durch den Kopf. Es kam mir unanständig vor.
Nadine und Valentina waren vor allem deswegen so aufgeregt, weil sie das Geld nicht etwa im Nachttisch gefunden hatten, was abenteuerlich genug gewesen wäre, nein, sie hatten es im Safe gefunden. Wohin so viel Geld sicherlich auch gehörte. Aber eben nicht, wenn der Gast bereits ausgecheckt hat. Deshalb hatte Nadine den Safe auch mit dem Universal-Safe-Öffner geöffnet, einer Art Kreditkarte, die an der Rezeption lag.
Das Problem war: Sie hatte den Safe alleine geöffnet,
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