Total Control (Das Labyrinth)
Jackson beugte sich noch weiter vor. »Das weißt du verdammt genau, und es macht dich völlig fertig. Alle Indizien weisen zumindest darauf hin, daß Sidney Archer in einige schwere Verbrechen verwickelt ist, und dennoch reißt du dir bei jeder Gelegenheit ein Bein aus, um sie in ein gutes Licht zu rücken. Das hast du bei Frank Hardy getan, bei Liz, und jetzt versuchst du es bei mir. Du bist doch kein Politiker, Lee, du bist Ordnungshüter. Sie mag nicht überall die Finger drin haben, aber sie ist beileibe kein Engel, das steht schon mal fest.«
»Also stimmst du meinem Schluß über den Dreifachmord nicht zu?« schoß Sawyer zurück.
»Doch. Damit hast du wahrscheinlich recht. Aber wenn du erwartest, daß ich glaube, Archer sei ein Unschuldslamm in einem kafkaesken Alptraum, dann sprichst du eindeutig mit dem Falschen. Erinnerst du dich, was du über Nachsicht gesagt hast? Nun, ich müßte schon ein ganze Menge davon aufbringen, um meine Meinung auch nur einen Deut zu ändern, daß Sidney Archer, so schön und intelligent sie auch sein mag, einen beträchtlichen Teil ihrer verbleibenden Jahre hinter Gitter verbringen sollte.« Jackson lehnte sich zurück.
»Dafür hältst du das Ganze also? Das schöne, schlaue Flittchen verdreht dem abgetakelten FBI-Agenten den Kopf?« Jackson erwiderte nichts, doch die Antwort stand ihm ins Gesicht geschrieben. »Der alte, geschiedene Furz will ihr ans Höschen, was, Ray? Und das kann er nicht, wenn sie sich als schuldig erweist. Ist es das, was du denkst?« fragte Sawyer mit anschwellender Stimme.
»Warum sagst du es mir nicht, Lee?«
»Vielleicht sollte ich dich statt dessen durch das Fenster da schmeißen.«
»Vielleicht solltest du das mal versuchen«, schoß Jackson zurück.
»Du Mistkerl«, stieß Sawyer heiser hervor.
Jackson faßte über den Tisch und packte ihn an der Schulter. »Ich will doch nur, daß du klar denkst. Du willst mit ihr schlafen, na gut. Aber warte damit, bis der Fall abgeschlossen und sie freigesprochen ist!« brüllte Jackson ihn an.
»Was fällt dir ein!« schrie Sawyer zurück und stieß Jacksons Hand weg. Er sprang auf, ballte die Hand zur Faust und - hielt mitten im Schlag inne, als er begriff, was er gerade tun wollte. Mehrere Gäste des Restaurants beobachteten die Szene fassungslos. Sawyers und Jacksons Blicke verhakten sich ineinander, bis ersterer schließlich mit bebender Brust und zitternder Unterlippe die Faust sinken ließ und sich wieder setzte.
Eine Weile sprach keiner der beiden ein Wort. Endlich seufzte Sawyer verlegen: »Scheiße, ich wußte doch, ich würde eines Tages bereuen, daß ich mit dem Rauchen aufgehört habe.« Er schloß die Augen. Als er sie wieder öffnete, blickte er Jackson direkt ins Gesicht.
»Lee, es tut mir leid. Ich mache mir nur Sorgen wegen - «
Unvermittelt verstummte Jackson, als Sawyer die Hand hob.
»Weißt du, Ray, ich habe mein halbes Leben beim FBI verbracht. Als ich anfing, war es noch einfach, die Guten von den Bösen zu unterscheiden. Damals liefen noch keine Kids durch die Gegend und brachten Leute um, als wäre das die schönste Nebensache der Welt. Und es gab keine straff organisierten Drogenimperien mit einem Kapital von Hunderten Milliarden Dollar - genug Geld, um fast jeden dazu zu bringen, nahezu alles zu tun. Die hatten Revolver, wir hatten Revolver. Bald werden wohl Panzerabwehrraketen zu deren Standardausrüstung zählen. Während ich im Supermarkt stehe und überlege, welches lausige Fertiggericht ich essen soll, und mich umsehe, welches Bier gerade im Sonderangebot ist, sammeln sich wieder zwanzig Leichen an, und zwar nur deshalb, weil jemand in die falsche Straße biegt oder weil sich arbeitslose Jugendliche in einem Häuserblock Revierkämpfe liefern, und das mit einer Feuerkraft, die früher nicht einmal der Armee zur Verfügung stand. Jeden Tag spielen wir Hasch-mich, aber wir holen keinen Schritt auf.«
»Komm schon, Lee, Recht und Ordnung existieren noch immer. Solange es böse Menschen gibt.«
»Recht und Ordnung erinnern mich stark an das Ozonloch, Ray: Sie sind voller Unwägbarkeiten. Lange Zeit habe ich versucht, für Recht und Ordnung zu sorgen. Und was hab’ ich nun davon? Ich bin geschieden. Meine Kinder halten mich für einen lausigen Vater, weil ich lieber Flugzeugattentäter oder scheinheilig lächelnde Schlächter mit einer Vorliebe für menschliche Trophäen gejagt habe, statt ihnen zu helfen, die Geburtstagskerzen auszublasen. Und weißt du was? Sie
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