Total Recall
gingen Maria und ich mit ihrer Großmutter spazieren. Rose fragte Maria in der Grammatik ab, als müsste sie sich persönlich um die die Collegeausbildung ihrer Enkelin kümmern. »Heißt es an dieser oder jener Stelle me oder I ?«, fragte sie etwa. Dann sprach sie plötzlich Deutsch und erklärte mir, dass sie in Holland eine Klosterschule besucht hatte. Sie sprach über Beethoven, Bach und Mozart und erzählte mir, dass sie gern in die Oper und ins Konzert ging und seit ihrer Kindheit Klavier spielte. Es war sehr interessant, sich mit der Matriarchin des geschichtsträchtigen Kennedy-Klans zu unterhalten, von der ich schon so viel gelesen und gehört hatte.
An diesem Abend musste ich wieder weg. Maria brachte mich zum Flughafen, und während wir am Ticketschalter standen und uns unterhielten, fiel mir ein, dass ich ja kein Geld hatte. Meine Wertsachen waren noch immer in dem New Yorker Hotel.
Maria musste mir für den Flug einen Scheck ausstellen. Meine Körpertemperatur muss wohl um zehn Grad gestiegen sein, so peinlich war es mir, dass ich mir von einer Einundzwanzigjährigen Geld leihen musste. Immerhin hatte ich stets mein eigenes Geld verdienen wollen, damit ich niemanden um Almosen oder Darlehen anbetteln musste. Als ich wieder in Los Angeles war, bat ich Ronda als Erstes, einen Scheck auszustellen. »Wir müssen ihn Maria schicken. Sie hat mir 60 Dollar geliehen. Ich will, dass sie das Geld möglichst schnell zurückbekommt.« Ich schickte den Scheck mit einem Dankesbrief zurück.
Maria und ich hörten bis kurz vor Halloween nichts mehr voneinander. Damals war ich auf Werbetour für mein neues Buch: Karriere eines Bodybuilders . Das Buch, das aus Erinnerungen und einer Einführung in das Krafttraining bestand, hatte ich mit dem Autor und Fotografen Douglas Kent Hall verfasst, nachdem ich mich aus dem Wettkampfsport zurückgezogen hatte. Der Verleger von Simon & Schuster, Dan Green, der die Idee zu dem Projekt hatte, war Bodybuilding-Fan. Als ich mich wegen der Vermarktung des Buches mit ihm traf, war er enthusiastisch. »Das wird ein echter Erfolg«, sagte er. »Es wird mindestens so ein Bestseller wie Pumping Iron .«
»Nicht, wenn wir uns an den Plan hier halten«, erwiderte ich. Das Marketingkonzept des Verlags sah vor, dass ich mein Buch in einem halben Dutzend Großstädte vorstellte.
»Die Leute werden das Buch nur kaufen, wenn sie davon gehört haben«, erklärte ich. »Wo sollen sie davon hören? Wenn Sie wollen, dass es ein echter Erfolg wird, dann schicken Sie mich nicht nur in sechs Städte. Wir machen dreißig Städte, und zwar in dreißig Tagen.«
»Dreißig Städte in dreißig Tagen! Das ist Wahnsinn!«
»Keine Sorge«, sagte ich. »Wir suchen uns Städte aus, in die Stars normalerweise nicht gehen. Auf die Art bekommen wir mehr Auftritte im Frühstücksfernsehen.«
Ich rief ihm in Erinnerung, dass Pumping Iron so erfolgreich gewesen war, weil wir es stärker als gewöhnlich beworben und an unkonventionellen Orten verkauft hatten, etwa in Sportgeschäften. Green erklärte sich mit meinem Vorschlag einverstanden.
Washington D. C. gehörte zu den Städten, die auf Lesetouren gern ausgelassen werden. Da ich Pumping Iron dort vorgestellt hatte, hielt ich es für sinnvoll, wieder in Washington Station zu machen und dieselben Journalisten einzuladen. Da Maria in Washington lebte, fand ich es nur natürlich, sie vorher anzurufen. Sie bot sich sofort an, mir die Stadt zu zeigen. Ich kam erst spätabends an, gegen acht oder neun Uhr, an Halloween. Maria holte mich ab und zeigte mir die Bars und Restaurants, in denen sie in ihrer Collegezeit schon gearbeitet hatte – sie hatte gerade ihr Studium an der Georgetown University abgeschlossen. An diesem Halloween-Abend war sie als Zigeunerin verkleidet, und mit ihrem farbenfrohen Kleid, den Armreifen, den großen Ohrringen und dem wunderschönen dichten schwarzen Haar war sie wirklich eine sehr überzeugende Zigeunerin. Bis ein Uhr morgens amüsierten wir uns bestens. Am nächsten Morgen führte ich meine Pressegespräche und reiste anschließend weiter.
Eine Woche später, am 6. November, schickte ich Maria Blumen zum Geburtstag. Das hatte ich noch nie für eine Frau gemacht, aber ich hatte mich nun einmal in sie verschossen. Erst kurz zuvor hatte ich entdeckt, dass man die Blumen auch telefonisch zustellen lassen konnte. Das war für mich neu, jemandem auf diese Weise seine Zuneigung zu zeigen, wie zu Anfang das beliebte
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