Total Recall
und beruhigte sie, und schließlich war sie bereit, die Szene zu Ende zu spielen.
Als Schauspieler und Regisseur hat man ständig mit solchen Problemen zu tun. Keiner nimmt sich morgens, wenn er aufsteht, vor: »Heute mache ich den anderen das Leben schwer«, oder: »Ich sorg dafür, das die Dreharbeiten ein Desaster werden.« Die Menschen haben eben Schwächen und Unsicherheiten, die beim Schauspielern extrem zutage treten können. Immerhin wird man unmittelbar von anderen beurteilt, der Gesichtsausdruck, die Stimme, die Persönlichkeit, das Talent. Das geht an die Substanz und macht einen Schauspieler sehr verletzlich. Etwas anderes ist es, wenn man etwas hergestellt hat, zum Beispiel eine Kulisse oder ein Make-up. Wenn jemand die Maskenbildnerin bittet: »Kannst du das Make-up noch ein bisschen abschwächen? Da ist zu viel Puder drauf«, dann sagt sie: »Oh, tut mir leid«, und wischt das Puder eben weg. Wenn aber jemand sagt: »Könntest du in dieser Szene mal das gehemmte Lächeln sein lassen? Dein Gesicht sieht merkwürdig aus«, dann trifft einen das bis ins Mark. Plötzlich weiß man nicht mehr, was man mit seinem Gesicht anfangen soll, und man ist tatsächlich gehemmt. Ein Schauspieler nimmt Kritik viel persönlicher. Jeder Job hat eben auch seine Schattenseiten.
Trotz Verhoevens ausgezeichneter Arbeit ging Total Recall auf dem Weg in die Kinos fast unter. Der Trailer, der vorab in den Kinos lief, war unglaublich schlecht. Er griff zu kurz, vermittelte weder eine Ahnung von der Dimension der Geschichte noch die unheimliche Atmosphäre. Wie immer ließ ich mir die Marktanalysen des Studios geben, die »tracking studies«, wie sie auch genannt werden, mit denen die Zustimmung für einen Film gemessen werden. In den Marketingabteilungen werden Hunderte von Statistiken erstellt, aus denen man sich die Zahlen heraussuchen muss, die wirklich wichtig sind. Ich suchte nach den Punkten »Bekanntheitsgrad« und »Will ich sehen«. Hier wird die Antwort der Leute auf die Frage gemessen: »Von welchem haben Sie gehört und welchen wollen Sie sich ansehen?« Wenn die Leute sagen: »Ich habe von Total Recall und Stirb langsam 2 gehört und ich will sie unbedingt sehen«, dann weiß man, dass der Film ein Erfolg wird. Ein Bekanntheitsgrad von neunzig oder fünfundneunzig Prozent bedeutet, dass der Film wahrscheinlich beim Filmstart die Nummer eins wird und mindestens 100 Millionen Dollar einspielt. Mit jedem Prozentpunkt, den er darunter liegt, sinken die Einnahmen um mindestens 10 Millionen Dollar, was dazu führt, dass die Studios und Regisseure oft noch in letzter Minute an ihren Filmen herumbasteln. Auch die sogenannte »ungestützte Bekanntheit« ist ein nützlicher Wert, der zeigt, ob die Menschen den Film unter den Neustarts spontan nennen können. Ein Wert von vierzig Prozent und mehr bedeutet, dass man einen Renner an der Hand hat. Zwei weitere Kategorien spielen eine wichtige Rolle: die »erste Wahl« (welchen Film würde man unter einer Auswahl von Filmen auswählen), die bei einem Wert von 25 bis 30 Prozent den Erfolg garantiert, und das »konkrete Interesse«, das zwischen 40 und 50 Prozent liegen muss.
Bei manchen Filmen, etwa bei Conan der Barbar , sind diese Zahlen von Anfang an vielversprechend. Bei anderen deuten sie an, dass der Film floppen könnte. Das war bei Total Recall der Fall. Nachdem der Trailer und die Werbung schon wochenlang in Umlauf waren, lag die Bekanntheit noch irgendwo knapp über vierzig Prozent statt über neunzig, die »erste Wahl« nur bei zehn Prozent, und in der Rubrik »Will ich sehen« tauchte der Film gar nicht auf.
Meine Erfahrungen mit der Filmvermarktung halfen mir hier nicht weiter. Die Ursache für das Problem war nicht Total Recall , sondern TriStar, der Filmverleih, der für die Produktion des Trailers und für die Werbung verantwortlich war. Die Marketingleute wussten nichts mit dem Film anzufangen, und das Studio war im Umbau begriffen. TriStar und sein Schwesterstudio Columbia wurden damals im Rahmen eines Mega-Deals gerade von Sony übernommen und fusionierten.
Das neue Führungsduo – Peter Guber und Jon Peters – war schon da, um die Umstrukturierung zu überwachen. Das bedeutete auch, dass viele Führungskräfte bei TriStar in Bälde ihren Job verlieren würden.
Veränderungen im Studio-Management können einen Film zu Fall bringen. Die neuen Mitglieder der Führungsetage haben nicht nur ihre eigenen Projekte mitgebracht, sondern sie wollen ihre
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