Total Recall
Beverly Hills. Das weiße Gebäude wirkte von außen wie ein Bunker, beherbergte aber ein privates Restaurant und einen Nachtklub. Ich ging alle paar Monate zum Mittag- oder Abendessen hin oder anlässlich einer anderen Veranstaltung. Im Friars gab es gute Boxkämpfe. Berühmt war der Club aber vor allem für seine sogenannten »Roasts«. Das waren Abende, an denen Prominente auf einem Heißen Stuhl Platz nahmen, wo sie dann humoristisch »geröstet« wurden. Doch Milton war fast achtzig und der Club mittlerweile etwas angestaubt. Er und seine Freunde hielten die Zügel fest in der Hand und ließen Nachwuchskomikern kaum eine Chance. Wenn Schauspieler wie Eddie Murphy, Steve Martin, Danny DeVito oder Robin Williams zu Besuch kamen, sah man ihnen förmlich an, wie sie enttäuscht dachten: »Wer sind nur all diese alten Knacker? Ich würde die mit meinen Gags einfach umpusten.«
Für Milton Berle muss es schwer gewesen sein, dass man ihn, nachdem er als »Mr. Television« zur Legende geworden war und dann in Las Vegas und am Broadway riesige Erfolge gefeiert hatte, nur noch im Friars Club kannte. Wenn er in der Öffentlichkeit auftauchte, stahl er anderen sofort die Show. Er brauchte es noch immer, im Mittelpunkt zu stehen. Deswegen war er überhaupt nur Komiker geworden.
Es kam selten vor, dass diese alten Komiker-Legenden einmal eine normale Unterhaltung führten, wenn sie sich im Caffé Roma trafen. Und wenn, dann kam garantiert Robbie Williams vorbei oder Rodney Dangerfield in seinen Bermudas, und schon drehten sie alle wieder auf. Jeder versuchte den andern zu übertrumpfen. Oft hatten sie ihre Ehefrauen dabei, die aussahen wie völlig normale Hausfrauen. Sie verdrehten bei jedem Witz die Augen, und nicht selten hörte man Bemerkungen wie: »O nein, nicht schon wieder.« Manchmal schimpfte eine: »Nun hör schon auf, wie oft willst du den noch bringen?« Für die alten Herren war das schrecklich.
Die Veteranen aus dem Friars Club mochten mich als Menschen und kannten meine Filme. Für sie war ich kein Konkurrent, sie fanden aber, ich würde durchaus über komisches Talent verfügen, wenn auch für eine ziemlich bodenständige und geradlinige Art von Humor. Mir war ihre Meinung wichtig, denn man muss wissen, welches Potenzial man hat. Und wenn man es hat: Wie schöpft man dieses Potenzial zu hundert Prozent aus?
Ich war überzeugt, dass in meiner Karriere der Zeitpunkt gekommen war, ins Komödienfach zu expandieren. Aber ich wusste auch, dass man nur schwer einen Fuß in dieses Genre bekommt. Das galt erst recht für mich als Europäer, denn mir fehlte der typisch amerikanische Humor. Mir fehlte das Timing, und die Aussprache erwies sich auch wieder also Problem. Die Treffen mit den Komikern waren für mich eine große Hilfe. Ich war gern in Gesellschaft von Menschen, die Humor hatten, Komödien schrieben und immer auf der Suche nach einer witzigen Formulierung waren. Selbst wenn ich manchmal ziemlich schlucken musste, zum Beispiel wenn Milton einmal wieder seinen Lieblingsscherz brachte: Er könne sich nicht daran gewöhnen, dass ich größere Titten hätte als meine Freundin.
Milton entwickelte sich zu meinem Mentor in Sachen Komik. Er machte mir Mut. »Wenn allein dein Akzent schon komisch ist, umso besser! Ich muss mir immer erst etwas Komisches ausdenken.« Er brachte mir bei, wie man Witze erzählt, wie man die Komik dosiert und die Pointe nicht überbetont. Ich fragte ihn, mit was für Witzen man eine ernste Situation auflockern kann und wie man sie so einflicht, dass der Humor natürlich wirkt. Ich lernte, dass man als Standup-Comedian im Grunde gar keine Verknüpfungen zwischen den Witzen braucht. Man macht wie Jay Leno ein paar Witze über Meldungen aus den Nachrichten und sucht sich dann Leute aus dem Publikum aus, die man durch den Kakao zieht. Man darf nicht vergessen, auch ein paar Witze über sich selbst zu machen, damit es einem keiner übelnimmt, dass man sich über andere Leute lustig macht.
Oft ging es um das richtige Timing. »Als Star bekommst du ja eine Menge Auszeichnungen, von denen viele völlig unwichtig sind«, sagte er. »Trotzdem musst du eine Dankesrede halten. Das machst du so: ›Ich habe schon viele Preise bekommen‹, sagst du, ›aber dieser … dieser ganz spezielle … ist für mich‹ – und an dieser Stelle musst du mit deiner Rührung kämpfen und kräftig schlucken – ›dieser ganz spezielle … ist wirklich der … neueste!‹ Verstehst du? Deine Rührung
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