Total Recall
sechzig Prozent der Fälle funktioniert es, aber bei dreißig bis vierzig Prozent versagt die Ersatzklappe«, erklärte er. »Wenn das der Fall ist, müssen wir noch mal von vorn anfangen.«
Großes Risiko, großer Gewinn. Das leuchtete mir ein. »Das ist in Ordnung«, sagte ich. »Ich gehe das Risiko ein.«
Wir legten den OP-Termin auf April fest, wenn die Dreharbeiten zu Batman & Robin abgeschlossen sein würden. Nach der OP würde ich also nichts verpassen. Im Sommer würde ich dann für den neuen Film werben und später im Jahr mit einem neuen Filmprojekt anfangen, was immer das auch sein mochte.
Ich erzählte weder meiner Mutter noch meinem Neffen noch überhaupt jemandem von der Herz-OP. Niemand wusste Bescheid. Nicht mal meine Kinder. Denn ich wollte einfach nicht darüber reden. Ich wollte so tun, als sei es gar keine richtige Herzoperation. Eher so etwas wie ein Weisheitszahn, der herausoperiert werden musste. Ich würde ins Krankenhaus gehen, die Sache hinter mich bringen und wieder nach Hause gehen.
Nicht einmal meiner Frau wollte ich es erzählen. Maria war mitten in einer schwierigen Schwangerschaft. Wir erwarteten unser viertes Kind, und ich wollte sie nicht beunruhigen. Sie neigte dazu, aus allem immer gleich ein Drama zu machen, auch wenn es gar nicht um Leben oder Tod ging, während ich immer alles herunterspielte. Zum Beispiel sagte ich ihr nie: »In drei Monaten reise ich nach Norwegen, ich muss dort eine Rede halten.« Von diesem Augenblick an würde sie ständig darüber jammern, dass ich sie eine Woche lang mit der ganzen Arbeit zu Hause allein lassen würde. Und sie war wirklich unerbittlich: »Welchen Flug nimmst du? Warum fliegst du am Samstag und nicht am Sonntag? Musst du wirklich so lange wegbleiben? Worum geht es bei diesen anderen Besprechungen?« Bis ich dann im Flugzeug saß, hatte ich keine Lust mehr, weil ich darüber endlos hatte debattieren müssen. Deshalb gab ich Ronda und Lynn eine klare Anweisung: »Gebt niemals meinen Kalender an andere Personen weiter.« Und Maria erfuhr von solchen Dingen immer erst ein paar Tage vorher. Anders hätte ich es nicht ausgehalten. Ich gehöre nun mal nicht zu den Leuten, die über alle Angelegenheiten endlos diskutieren müssen. Ich traf meine Entscheidungen sehr schnell und fragte auch andere nicht groß um Rat. Wenn eine Entscheidung zu treffen war, wollte ich auch nicht ständig darüber nachdenken. Ich wollte einfach weitermachen. Darum behauptete Maria auch immer, ich sei wie ihre Mutter.
Maria selbst ist das genaue Gegenteil. Besonders in Gesundheitsdingen neigte sie dazu, mit allen möglichen Leuten darüber zu reden, um nur ja kein Risiko einzugehen. Wenn sie von meiner Herz-OP erfuhr und so reagierte wie immer, musste ich befürchten, dass es sich schon lange vor dem Termin herumsprechen würde. Und sie würde mir vermutlich auch ständig erzählen, was ich zu tun oder zu lassen hatte, und jeden Abend würde es neue Diskussionen geben. Aber für mich war es wichtig, die ganze Sache so lange wie möglich zu verdrängen. Meine Entscheidung war in der Arztpraxis gefallen, und danach wollte ich mich nicht mehr damit befassen müssen. Wenn sie es jeden Tag neu aufs Tapet brachte, funktionierte mein Verdrängungstrick nicht mehr. Meine Art und Weise, mit Leben und Tod umzugehen, würde empfindlich gestört.
Als der OP-Termin näher rückte, weihte ich Dr. Starnes in meine Pläne ein. »Meiner Familie werde ich sagen, dass ich nach Mexiko reise«, erklärte ich ihm. »Ich sage ihnen nur, dass ich mir für eine Woche einen kleinen Urlaub nehme. In der Zeit ziehen wir dann die Herzoperation durch. Sie sagten, dass ich nach fünf Tagen aus dem Krankenhaus entlassen werden könne. Also werde ich nach fünf Tagen in ein Hotel umziehen. Ich werde in der Sonne liegen, bis ich richtig braun bin. Ich will gesund aussehen. Dann fahre ich nach Hause, und niemand wird je erfahren, dass ich eine Herz-OP hatte. Was halten Sie davon?«
Der Arzt schaute mich ein wenig verblüfft an und meinte dann in seiner sachlichen Art: »Das funktioniert nicht. Sie werden Schmerzen haben, Sie brauchen Hilfe und Sie werden auf keinen Fall so tun können, als sei nichts gewesen. Ich empfehle Ihnen dringend, es Ihrer Frau zu sagen. Sie ist schwanger. Sie sollte darüber Bescheid wissen. An Ihrer Stelle würde ich es jetzt sofort tun.«
Am selben Abend sagte ich beiläufig zu Maria: »Ach, du weißt doch noch, dass ich dir mal erzählt habe, dass ich irgendwann
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