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Total Recall

Total Recall

Titel: Total Recall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Dürr (VS Mihr)
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wurde um den Kopf eine schwere Gipsform aufgebaut. Viele Schauspieler hassten dieses Stadium, weshalb Stan und sein Team eine eigene Routine dafür entwickelt hatten. Wenn man im Studio ankommt, läuft Musik, alle sind gut drauf, und man wird freundlich begrüßt. »Hey, super, dass Sie wieder mal zu uns kommen!« Wenn man bequem sitzt, fragen sie: »Die Sache ist nicht ganz ohne. Leiden Sie unter Klaustrophobie?«
    »Nö«, antworte ich dann immer und bemühe mich, möglichst cool zu klingen.
    Dann wird man eingewickelt, mit Stoffstreifen, die sie in eine Art Zement getaucht hatten. Schon bald sind auch die Augen bedeckt, und man sieht rein gar nichts mehr. Dann werden auch die Ohren verschlossen, und man hört nichts mehr. Nacheinander werden sämtliche Sinne stillgelegt. Dann wird der Mund versiegelt, sodass man nichts mehr sagen kann. Und am Schluss wird auch die Nase zugewickelt, bis auf zwei kleine Löcher, durch die sie einem Strohhalme stecken, damit man noch atmen kann. In diesem Zustand muss man dann eine halbe Stunde lang verharren, bis die Form erstarrt. Der Verstand fängt an, einem Streiche zu spielen. Man überlegt: Was ist, wenn du nicht mehr genug Luft kriegst? Was ist, wenn kleine Zementstückchen in die Halme geraten und deine Luftzufuhr blockieren? Man hört und sieht nichts mehr, nimmt aber noch die Bewegungen der Leute wahr, während sie an der Form arbeiten. Für den Fall, dass man es irgendwann einfach nicht mehr aushält, versichern sie vorher: »Ich bleibe immer bei Ihnen. Geben Sie mir nur ein Zeichen mit der Hand oder klopfen Sie mir auf den Arm.«
    Aber nach einer Weile steigt echte Panik auf. Man fühlt, wie der Gips härter wird, was bedeutet, dass man die Binden nicht mehr so einfach vom Kopf reißen kann. Jetzt müsste das ganze Ding aufgeschnitten werden. Schon wenn man sich auf den Stuhl setzt, sieht man die Werkzeuge bereitliegen – die winzige elektrische Kreissäge, mit der sie die Form aufschneiden –, aber natürlich hat man es sich verkniffen zu fragen. Doch jetzt setzen die Gedanken ein: »Warte mal. Woher wissen die eigentlich, wie tief sie sägen dürfen? Was ist, wenn sie mir ins Gesicht sägen?«
    Als ich die Prozedur zum ersten Mal erlebte und die Kreissäge sah, fing ich an, schneller zu atmen, und plötzlich brauchte ich mehr Luft. Durch die Trinkhalme bekam ich nicht genug Sauerstoff und war wirklich nahe daran auszuflippen. Mühsam versuchte ich, mich zu beherrschen. »Hör auf, daran zu denken. Hör auf, dir das alles vorzustellen«, sagte ich mir immer wieder. »Weg mit den Gedanken! Ja, okay, so ist gut – sie sind weg. Okay, denk an etwas anderes. Denk ans Meer. Oder vielleicht an einen großen Wald, irgendetwas Angenehmes, an die Vögel, die in den Bäumen zwitschern, an raschelndes Laub im Wind, an Holzfäller, die irgendwo im Wald arbeiten, man hört sogar die … Kettensäge!«
    Und schon kam wieder Panik auf. Und natürlich waren dann alle Mitarbeiter doch irgendwie verschwunden. Vielleicht nicht aus dem Studio, aber ich hatte keine Ahnung, wo sie sich gerade aufhielten. In meiner Nähe jedenfalls nicht. Vielleicht hatten sie mir sogar gesagt: »Okay, ich bin nur mal zehn Minuten weg«, aber ich konnte ja nichts mehr hören. Ich war eingeschlossen, gefangen, und niemand war bei mir. Und es blieb mir nichts anderes übrig, als das Beste zu hoffen – und dass die Form auch brauchbar werden würde.
    Die Operation erinnerte mich daran.
    Maria erschrak so sehr, als Dr. Starnes sie am nächsten Morgen um vier Uhr anrief, dass sie sofort mit ihrer Freundin Roberta telefonierte und sie bat, sie zum Krankenhaus zu begleiten. Roberta Hollander war Nachrichtenproduzentin beim Fernsehsender CBS und war Marias wichtigste Vertraute, seit Maria zum ersten Mal vor der Kamera gestanden hatte. Eine starke Führungspersönlichkeit und ein echtes Vollweib. Sie wusste genau, wie man mit den Leuten umging. Ein paar Stunden später saßen Maria und Roberta in Dr. Starnes’ Büro, während ich wieder für die OP vorbereitet wurde. In seinem Zimmer stand ein großer Bildschirm, auf dem er sehen und hören konnte, was im Operationssaal vor sich ging, denn bei bestimmten Teilen der Operation musste er nicht persönlich anwesend sein, zum Beispiel wenn der Patient von der Herz-Lungen-Maschine abgehängt wurde. Dann ging er gewöhnlich in sein Büro, empfing andere Patienten oder leitete eine Besprechung, behielt aber gleichzeitig den OP-Saal im Auge, für den Fall, dass er

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