Total Recall
Wenn es schiefgeht, ist man schuld an allem, aber wenn es gutgeht, streicht man auch das ganze Lob ein. Hohes Risiko, hoher Gewinn.
Gegenüber Kalifornien empfand ich eine unglaublich große Verbundenheit und großen Stolz. Meine Wahlheimat ist größer als viele andere Staaten. Hier leben über 37 Millionen Menschen – viermal so viele wie in Österreich. Das Land ist 1200 Kilometer lang und 400 Kilometer breit. Durch die kleineren Bundesstaaten kann man leicht mit dem Fahrrad fahren, aber für eine Tour durch Kalifornien sollte man mindestes eine Harley zur Verfügung haben und körperlich schon ein bisschen fit sein. Kalifornien verfügt über spektakuläre Gebirge, 2400 Kilometer Küstenlinie, Redwoodwälder, Wüsten, Äcker, Weiden, Weinbaugebiete. Die Bewohner sprechen über hundert verschiedene Sprachen. Kaliforniens Wirtschaft kommt auf ein nominales Bruttoinlandsprodukt von 2 Billionen Dollar – das ist größer als das von Mexiko, Indien, Kanada oder Russland. Wenn sich die G-20 zu ihren Wirtschaftsgipfeln trifft, müsste Kalifornien eigentlich mit am Tisch sitzen.
Seit ich in Los Angeles lebte, hatte der Staat schnellere und langsamere Wachstumsphasen durchlaufen, aber im Großen und Ganzen hatte er sich gut entwickelt, und ich hielt mich selbst für einen glücklichen Nutznießer dieser Entwicklung. In meinen politischen Überzeugungen war ich konservativ, wie überhaupt viele erfolgreiche Einwanderer. Ich wollte, dass Amerika die Bastion des freien Unternehmertums blieb, und wollte tun, was ich konnte, um zu verhindern, dass es den Weg einschlug, den Europa ging – den Weg der Bürokratisierung und Stagnation. Das war in Europa jedenfalls die Tendenz gewesen, als ich noch dort lebte.
Die neunziger Jahre waren Jahre des Wohlstands. Kalifornien hatte nach vielen Jahren erstmals wieder einen demokratischen Gouverneur: Gray Davis. Er legte 1999 einen beachtlichen Amtsantritt hin. Er förderte die staatliche Bildung und verbesserte die Beziehungen zu Mexiko. Davis war kein Selbstdarsteller, er war ein schmächtiger Typ und ziemlich zurückhaltend, aber sein politisches Programm war populär – und er konnte mit einem dicken Haushaltsüberschuss arbeiten, der dem Boom im Silicon Valley zu verdanken war. Dementsprechend hoch waren seine Zustimmungsraten in der Bevölkerung, sie lagen um sechzig Prozent.
Die Probleme begannen mit dem Dotcom-Crash. Ich hatte damals gerade die Dreharbeiten zu The 6th Day abgeschlossen, einem Science-Fiction-Thriller, in dem es um menschliche Klone ging. Im April 2000 platzte die Internet-Blase, und die Börsen begannen ihre schlimmste Talfahrt seit zwei Jahrzehnten. Für Kalifornien war ein solcher Einbruch im Silicon Valley eine besonders schlechte Nachricht, weil damit die Steuereinnahmen drastisch zurückgingen und eine Menge harter Entscheidungen über staatliche Dienstleistungen und Jobs getroffen werden mussten. Kalifornien bezieht von den Leuten im Silicon Valley gewaltige Steuereinnahmen. Wenn die Firmen dort um zwanzig Prozent einbrechen, schlägt sich das mit einem Minus von vierzig Prozent in den Steuereinnahmen nieder. Deshalb war ich auch der Meinung, die Überschüsse in den Jahren des Wachstums dafür zu verwenden, die Infrastruktur auszubauen, Schulden abzubauen und einen Reservefonds anzulegen, um in wirtschaftlich schlechteren Zeiten besser über die Runden zu kommen. Es ist ein großer Fehler, Programme mit Ausgaben festzuzurren, die dann immer auf dem Niveau der Boomjahre bleiben müssen.
Und dann kam auch noch die Elektrizitätskrise von 2000 und 2001. Zuerst verdreifachten die Stromanbieter in San Diego ihre Preise, dann kam es im gesamten Bundesstaat immer wieder zu stundenlangen Stromausfällen, die fast zu einem völligen Zusammenbruch der Stromversorgung geführt hätten. Die Regierung war wie gelähmt, die kalifornischen und die bundesstaatlichen Aufseher zeigten mit den Fingern aufeinander, statt endlich zu handeln, während die Versorgungsunternehmen, namentlich der Energiekonzern Enron, die Lieferungen zurückfuhren, um die Preise in die Höhe zu treiben. Im Dezember 2000 schaltete Gray Davis die Weihnachtsbeleuchtung in der Hauptstadt einmal kurz an und dann sofort wieder aus. Damit wollte er die Bürgerinnen und Bürger darauf hinweisen, dass sie Strom sparen müssten und sich besser auch auf weitere Versorgungsengpässe im kommenden Jahr einrichten sollten. Ich war entsetzt, was für eine jämmerliche Figur Kalifornien bei dieser
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