Total Recall
ganzen Sache machte. Kalifornien stand da wie ein Entwicklungsland und nicht wie Amerikas »Golden State«. Das machte mich richtig wütend. War das alles, was dem Gouverneur als Antwort auf die Stromversorgungskrise in Kalifornien einfiel? Okay Leute, ihr müsst nur einfach die Weihnachtsbeleuchtung ausschalten? Das war ziemlich einfältig. Natürlich war mir klar, dass das eine symbolische Geste gewesen war, aber symbolische Gesten haben mich noch nie sonderlich interessiert. Ich habe immer lieber Hand angelegt.
Natürlich war nicht alles Gray Davis’ Schuld. Die ganze Wirtschaft war eben auf einer Talfahrt. Aber seine Amtszeit war zur Hälfte vorbei, und die Leute fingen nun doch an zu glauben, dass er es nicht leicht haben würde, wenn er sich 2002 zur Wiederwahl stellte. Tatsächlich waren inzwischen auch seine Zustimmungsraten in der Bevölkerung stark rückläufig. Und ich selbst war genauso frustriert wie jeder andere. Man schlug die Zeitung auf oder machte den Fernseher an, und wenn das Thema Kalifornien zur Sprache kam, konnte man davon ausgehen, dass man eine neue Hiobsbotschaft zu hören bekam. Ich ertappte mich bei dem Gedanken: »So kann es nicht weitergehen. Wir brauchen eine Veränderung.«
Die Gedanken mischten sich auch in die Langzeitdebatte ein, die in meinem Kopf ablief: Welchen Gipfel wollte ich als nächsten besteigen? Sollte ich Filme produzieren? Oder Regie führen? Oder alles zusammen, so wie Clint? Oder wollte ich mich ganz der Malerei widmen, die mir inzwischen sehr viel bedeutete? Zwar hatte ich es nicht eilig, Antworten auf diese Fragen zu finden, ich wusste, dass man ihnen nur Zeit lassen musste, und irgendwann würde sich aus ihnen ganz von allein eine Vision herauskristallisieren. Trotzdem folgte ich meiner alten Selbstdisziplin, mir an jedem Neujahrstag konkrete Ziele vorzunehmen. In den meisten Jahren hatte der jeweilige Film, an dem ich arbeitete, ganz oben auf der Liste der guten Vorsätze gestanden. Ich arbeitete zwar gerade an ein paar Filmprojekten, darunter auch Terminator 3 , aber es gab noch keine Drehbücher, und es war auch nichts konkret geplant. Deshalb formulierte ich am 1. Januar 2001 als wichtigsten Vorsatz für das kommende Jahr: »Chancen ermitteln für Kandidatur zum Gouverneur in 2002.«
Gleich am nächsten Morgen bat ich Bob White um einen Termin. White war während Pete Wilsons achtjähriger Amtszeit als Gouverneur dessen Stabschef gewesen. Er war der Mann, der die Dinge hinter den Kulissen am Laufen hielt, und galt als einer der wichtigsten Politberater in Sacramento. Ich kannte ihn von verschiedenen Benefizveranstaltungen und Empfängen, und als seine Zeit als Stabschef endete, hatten wir vereinbart, in Kontakt zu bleiben.
Bob und sein Team anzuheuern, bedeutete natürlich noch lange nicht, dass ich auch die Unterstützung der republikanischen Partei hatte. In den Augen der Parteigrößen stand ich zu sehr in der politischen Mitte. Sicher, in Haushaltsfragen dachte ich konservativ, war für die Wirtschaft und gegen Steuererhöhungen, aber alle wussten, dass ich auch für das Selbstbestimmungsrecht der Frauen in der Abtreibungsfrage war, mich für die Rechte von Schwulen und Lesben einsetzte, für den Schutz der Umwelt, für ein vernünftiges Waffenkontrollgesetz und für ein vernünftiges soziales Netz. Man konnte sie fast denken hören: »Das hat uns gerade noch gefehlt – Arnold und seine liberale Frau! Als Nächste mischen sich dann auch seine Schwiegereltern ein, dann kommt Teddy Kennedy und dann der ganze Rest. Der wäre wie das verdammte Trojanische Pferd.« Die Parteiführer waren immer dankbar, wenn ich bei Spendensammlugen auftrat und auch, wenn ich im Wahlkampf half und Reden zugunsten ihrer Kandidaten hielt. Aber am Schluss hieß es immer: »Vielen Dank, sehr schön«, aber ich glaube nicht, dass sie jemals richtig warm mit mir wurden.
Und das war auch der Hauptgrund, warum ich Bob und seine Mitarbeiter um Rat fragte. Ich wollte eine gründliche, professionelle Einschätzung meines Potenzials für eine Bewerbung und für einen Sieg, und die Analyse musste sich auf gezielte Meinungsumfragen stützen. Und auch wenn ich schon bei solchen Kampagnen mitgewirkt hatte, wollte ich jetzt genau wissen, was es wirklich bedeutete, wenn ich mich bewarb. Schließlich war ich nicht der typische Kandidat. Wie viele Stunden würde ich für den Wahlkampf aufwenden müssen, wie viel Geld würde ich einwerben müssen, was könnte das Kernthema meiner Kampagne
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