Total Recall
schräg ansah oder mich aus irgendeinem Grund herausforderte, ging ich auf ihn los. Ich verpasste ihm eine Schockbehandlung: Ich zog mein Oberhemd aus, stand im Achselhemd vor ihm und ließ die Muskeln spielen, und dann schlug ich zu. Manchmal sagte er aber auch eilig: »Ach, was soll’s. Warum trinken wir nicht einfach noch ein Bier?«
Wenn aus dem Kampf eine Schlägerei wurde, standen meine Freunde und ich natürlich füreinander ein. Und am nächsten Tag beim Training erzählten wir uns von unseren Erlebnissen und lachten. »Du hättest sehen sollen, wie Arnold die Köpfe der beiden Kerle aneinandergeschlagen hat, und dann kam ihr Freund und ging mit dem Bierkrug auf ihn los, aber ich hab dem Dreckskerl von hinten eins mit dem Stuhl übergezogen.« Wir hatten immer Glück. Selbst wenn die Polizei kam, was ein paarmal der Fall war, ließ man uns meistens einfach laufen. Ich wurde nur einmal mit aufs Revier genommen, weil ein Kerl behauptete, ich müsse dafür zahlen, weil er ein paar Zähne verloren hatte. Wir stritten deswegen so erbittert, dass die Polizisten befürchteten, wir würden gleich wieder aufeinander losgehen. Also nahmen sie uns mit und behielten uns auf dem Revier, bis wir uns auf eine Summe geeinigt hatten.
Noch besser als die Schlägereien waren allerdings die Mädchen. Direkt gegenüber vom Fitnessstudio in der Schillerstraße befand sich das Hotel Diplomat, wo Stewardessen untergebracht wurden. Franco und ich lehnten uns in unseren Achselhemden aus dem Fenster und flirteten mit ihnen, wenn sie unten auf der Straße vorbeigingen. »Was macht ihr da oben?«, riefen sie. »Na ja, wir haben hier ein Fitnessstudio. Wollt ihr trainieren? Kommt einfach zu uns rauf!«
Oder ich marschierte in die Hotellobby und stellte mich den Stewardessen vor, die in Gruppen kamen und gingen. Um ihr Interesse zu wecken, kombinierte ich meine besten Tricks vom Thalersee mit meinen Erfahrungen als Eisenwarenverkäufer. »Wir haben gegenüber ein Fitnessstudio«, sagte ich, machte dem Mädchen ein Kompliment und sagte ihr, dass sie sicher großen Spaß beim Training hätte. Tatsächlich hielt ich es für ausgesprochen dumm, dass Frauen als Kunden so wenig ernst genommen wurden. Bei uns durften sie kostenlos trainieren. Und egal ob sie kamen, weil sie sich für die Männer interessierten oder weil sie einfach nur trainieren wollten, ich freute mich immer.
Die Mädchen schauten meist spätabends vorbei. Die gewöhnlichen Kunden gingen normalerweise um acht, doch die Geräte konnte man bis um neun benutzen. Während ich zusammen mit meinen Partnern meine zweite Trainingseinheit absolvierte, konnten die Mädchen vorbeikommen und trainieren. Wenn sie wirklich nur Sport machen wollten, gingen sie anschließend duschen und waren dann um halb neun wieder weg. Ansonsten durften sie gern bleiben und mit uns feiern, oder aber wir gingen alle zusammen aus. Manchmal kam auch Smolana mit ein paar Mädchen vorbei, dann wurde die Nacht ziemlich wild.
Während der ersten Monate in München ließ ich mich treiben, genoss das Nachtleben und amüsierte mich nach Kräften. Aber dann merkte ich, dass ich mein Ziel aus den Augen verlor, und achtete wieder auf mehr Disziplin. Mein Ziel bestand schließlich nicht darin, Spaß zu haben, sondern Weltmeister im Bodybuilding zu werden. Wenn ich meine sieben Stunden Schlaf haben wollte, musste ich abends um elf im Bett sein. Dennoch kam der Spaß nicht zu kurz, wir amüsierten uns auch so.
Mein Chef erwies sich allerdings als größeres Hindernis im Kampf um den Mister-Universum-Titel als jeder Betrunkene, der im Bierkeller mit dem Maßkrug auf mich losging. Wenige Wochen vor dem Wettkampf hatte ich immer noch keine Unterlagen aus London bekommen. Schließlich rief Albert dort an und erfuhr von den Organisatoren, dass gar keine Anmeldung von mir vorlag. Er stellte Putziger zur Rede, der zugab, dass er meine Anmeldung in der ausgehenden Post gesehen und sie weggeworfen hatte. Er war eifersüchtig und fürchtete, ich könnte entdeckt werden und nach England oder Amerika ziehen, bevor er richtig Geld mit mir verdient hätte. Ich wäre verloren gewesen, wenn sich Albert nicht für mich eingesetzt hätte. Da er sehr gut Englisch sprach, rief er erneut in London an und überredete die Organisatoren, meine Anmeldung anzunehmen, obwohl die Anmeldefrist schon verstrichen war. Nur wenige Tage vor dem Wettkampf kamen meine Unterlagen doch noch bei ihnen an, und ich wurde auf die Liste der Teilnehmer
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