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Total Recall

Total Recall

Titel: Total Recall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Dürr (VS Mihr)
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einen Schwarzen. Viele Kunden wollten einfach ihre Fitness verbessern und etwas für ihren Körper tun, es gab aber auch einige Gewichtheber und Bodybuilder, die an Wettkämpfen teilnahmen und die ich mir als Trainingspartner vorstellen konnte. Ich erkannte schnell, wie man solche Typen herausforderte und zu Höchstleistungen anspornte. »Ja klar, du kannst mein Trainingspartner werden, du brauchst Hilfe«, scherzte ich. Als Trainer gab ich gern den Ton an, und obwohl ich wenig Geld hatte, lud ich die anderen zum Essen ein und bezahlte alles.
    Durch die Arbeit mit den Kunden konnte ich nicht so trainieren, wie ich es bisher gewohnt war – intensive vier bis fünf Stunden am Tag. Also ging ich dazu über, zweimal am Tag zu trainieren, zwei Stunden vor der Arbeit und zwei Stunden von neunzehn bis einundzwanzig Uhr, wenn es im Studio ruhiger wurde und nur noch diejenigen da waren, denen es mit dem Krafttraining wirklich ernst war. Zuerst schien die Aufteilung des Trainings lästig, aber als ich die Resultate sah, erkannte ich, dass ich davon profitierte – ich war konzentrierter, erholte mich schneller und schaffte so längere und härtere Sets. An vielen Tagen legte ich noch eine dritte Trainingseinheit um die Mittagszeit ein – ich trainierte isoliert einen Körperteil, der mir schwächer schien, und widmete ihm dreißig bis vierzig Minuten meine volle Aufmerksamkeit. Dabei absolvierte ich beispielsweise zwanzig Sets Wadenheben oder hundert Wiederholungen Trizepsdrücken. Manchmal wiederholte ich diese nach dem Abendessen – ich ging erneut ins Studio und trainierte abends um elf noch eine Stunde. Wenn ich mich dann in meiner gemütlichen kleinen Kammer schlafen legte, spürte ich oft ein Ziehen oder Zucken in einem bestimmten Muskel, den ich am Tag besonders belastet hatte – die Folge eines erfolgreichen Trainings und sehr erfreulich, weil ich wusste, dass sich die Muskelfasern jetzt erholten und wuchsen.
    Ich trainierte wie besessen, weil ich in weniger als zwei Monaten gegen die besten Bodybuilder der Welt antreten würde. Ich hatte mich für den wichtigsten Wettkampf im Bodybuilding angemeldet, den Kampf um den Titel des Mister Universum in London. Das war ziemlich dreist. Normalerweise hätte ein Neuling wie ich nicht einmal davon geträumt, in London anzutreten. Ich hätte zuerst am Wettbewerb um den Titel des Mister Austria teilnehmen müssen und wäre, wenn ich gewonnen hätte, dann beim Kampf um den Mister Europa angetreten. Aber bei dem Tempo hätte es Jahre gedauert, bis ich nach London gekommen wäre. Dafür war ich viel zu ungeduldig. Ich wollte mich dem härtesten Wettkampf stellen, den es gab, und damit einen entscheidenden Schritt in meiner Karriere machen. Natürlich war ich nicht völlig naiv. Ich erwartete nicht, dass ich in London gewinnen würde – noch nicht. Einstweilen wollte ich vor allem herausfinden, wo ich stand. Albert war von der Idee begeistert und half mir mit seinen Englischkenntnissen beim Ausfüllen der Anmeldung.
    Für ein derart fanatisches Trainingsprogramm brauchte ich mehr als einen Trainingspartner. Zum Glück gab es in München genügend Bodybuilder, die ihren Sport ernsthaft betrieben und denen mein Traum vom Mister Universum einen Kick gab, auch wenn sie mich für ein bisschen verrückt hielten. Franz Dischinger trainierte regelmäßig mit mir, ebenso Fritz Kroher, der wie ich vom Land kam, aus einem Dorf im Bayerischen Wald. Selbst Reinhard Smolana, der Besitzer des konkurrierenden Fitnessstudios, machte mit. Manchmal lud er mich ein, bei sich zu trainieren, oder er kam zu uns und trainierte mit mir nach Feierabend. Schon nach wenigen Wochen hatte ich das Gefühl, dass ich gute Freunde gefunden hatte und in München allmählich heimisch wurde.
    Mein Lieblingspartner beim Training war Franco Columbu, der auch schnell mein bester Freund wurde. Ich hatte ihn ein Jahr zuvor in Stuttgart kennengelernt – er war am selben Tag Europameister im Kraftdreikampf geworden, an dem ich Mister Europa der Junioren geworden war. Franco stammte aus Sardinien, wo er auf einem Bauernhof in einem kleinen Bergdorf aufgewachsen war, das, so wie er es beschrieb, noch primitiver als Thal gewesen sein muss. Als Junge hatte er Schafe gehütet – mit zehn oder elf war er manchmal tagelang allein unterwegs in der Wildnis gewesen, hatte sich sein Essen selbst gesucht und im Freien übernachtet. Mit dreizehn Jahren hatte er von der Schule abgehen müssen, um daheim auf dem Hof zu helfen,

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