Total Recall
von ihnen hatte seine Medikamente bekommen, manche brauchten eine Dialyse. Ein Arzt namens Paul Russo hatte mutig das Kommando übernommen und mühte sich zusammen mit anderen Freiwilligen, Krankenhausbetten aufzutreiben. Es war klar, dass wir Hilfe heranschaffen mussten, sonst würden einige der alten Leute diese Nacht nicht überleben. Sofort zückten Daniel Zingale, ich und ein paar unserer Begleiter die Handys und fingen an, Ambulanzen und Krankenhäuser anzurufen, um die schwächsten Patienten sofort zu verlegen. Wir blieben ein paar Stunden, bis wir sicher sein konnten, dass Bewegung in die Sache kam, und kehrten in jener Nacht noch zweimal zurück, um zu sehen, wie es Paul und seinen Freiwilligen und den Patienten, die noch dort waren, ging. Am nächsten Tag konnte die Nationalgarde ein Feldlazarett in der Nähe errichten.
Glücklicherweise blieb Del Mar ein Einzelfall. Die Flächenbrände in San Diego wüteten noch drei Wochen, doch diese ersten Tage waren entscheidend für unsere Katastrophenhilfe. Wir evakuierten über eine halbe Million Menschen. Es war die größte Evakuierungsmaßnahme in der Geschichte des Bundesstaates. Vierzehn Menschen starben, siebzig wurden verletzt, die meisten von ihnen Feuerwehrleute. Zweihundertausend Hektar Land brannten. 1500 Privathäuser wurden ein Raub der Flammen und Hunderte von gewerblichen Gebäuden. Der geschätzte Schaden betrug 2,5 Milliarden Dollar. Die Folgen einer solchen Katastrophe sind immer tragisch. Aber wir hatten ein zweites »Katrina« verhindert, und ich war zufrieden, dass sich unsere intensive Vorbereitung ausgezahlt hatte.
Es braute sich allerdings ein weitaus schlimmeres Desaster zusammen, das für weit mehr Menschen – nicht nur in Kalifornien – weit schlimmere Folgen haben sollte als die Flächenbrände. Amerika stand vor dem schwersten ökonomischen Zusammenbruch seit der Weltwirtschaftskrise von 1929. In Sacramento hatten wir die ersten Anzeichen schon gespürt, als wir mit den Haushaltsplanungen für 2008/2009 beschäftigt waren. Im Frühjahr waren die Folgen einer deutlichen Rezession am kalifornischen Immobilienmarkt zu bemerken. Die Wirtschaftsprognosen für die Vereinigten Staaten und den Rest der Welt insgesamt klangen aber noch optimistisch.
Unsere Wirtschaftsberater sagten: »Wir bekommen etwas Gegenwind bei den Wohnimmobilien, aber in den nächsten zwei Jahren wird die Wirtschaft wieder in Gang kommen. Die Basis ist gut, und Sie können von einem weiteren gesunden Wachstum für 2009/2010 ausgehen.« Doch nur zwei Monate später sanken unsere monatlichen Steuereinnahmen drastisch: 300 Millionen Dollar unter den Erwartungen im August, 400 Millionen im November, 600 Millionen im Dezember. Den Hochrechnungen zufolge mussten wir bis zum Beginn des nächsten Steuerjahres im Juli mit einem Haushaltsloch von 6 Milliarden rechnen. Ich dachte nur: »Was ist hier los?«
Der Beginn dieser Wirtschaftskrise wird oft in dem Zusammenbruch des Finanzmarktes im September 2008 gesehen, doch Kalifornien traf die Krise früher und härter als den Rest des Landes, weil unser Wohnungsmarkt so riesig war und die Hypothekenkrise hier besonders schwer einschlug. Kaliforniens geradezu legendäre Immobilienpreise waren in den achtziger und neunziger Jahren in die Höhe geschossen, und Hausbesitzer hatten den ständig steigenden Marktwert ihrer Immobilien genutzt, um Pensionspläne oder Ausbildungsfonds zu finanzieren oder Ferienwohnungen zu kaufen. Jetzt jedoch konnten sie ihre Hypotheken nicht mehr bedienen und verloren ihre Häuser doppelt so häufig wie im nationalen Durchschnitt. Einigen Schätzungen zufolge gingen über 630 Milliarden Dollar verloren, lösten sich in Luft auf, verschwanden einfach – und mit ihnen verschwanden Steuereinnahmen im zweistelligen Milliardenbereich. Die Schuld lag teilweise bei der Bundesregierung, die verantwortungslose Subprime-Hypotheken-Deals zugelassen hatte. Früher hatte man mindestens ein Eigenkapital von fünfundzwanzig Prozent mitbringen müssen, wenn man eine Immobilie kaufen wollte. Die staatlich geförderten Banken Fannie Mae und Freddie Mac wurden jedoch aufgefordert, Kredite an Geringverdiener auszugeben, um die Wirtschaft anzukurbeln und die Quote der Hausbesitzer zu erhöhen. Dies trug zur Immobilienblase bei. Und es war genau, wie ich bei Milton Friedman gelernt hatte: Wenn die Bundesregierung die Märkte manipuliert, müssen die Bundesstaaten die Zeche zahlen. Die Kalifornier litten auch, weil man
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