Total Recall
ihm ein Treffen im Qualcomm-Stadion noch am selben Tag. Bettenhausen, der mit den Verantwortlichen vor Ort Kontakt hielt, berichtete, dass die Bewohner auf unsere Evakuierungsaufforderung vorbildlich reagierten. Der Befehl war so formuliert, dass er die beiden Informationen lieferte, die man am dringendsten brauchte, wenn das eigene Haus durch die Flammen gefährdet war: Erstens, sobald die Polizei dazu aufruft, die Häuser zu verlassen, nehmen Sie Ihre Sachen und gehen, denn ein Flächenbrand kann sich schneller ausbreiten, als ein Mensch laufen kann. Zweitens werden wir nicht nur alles tun, um Ihr Haus vor den Flammen zu bewahren, sondern wir werden auch die Polizei in den betroffenen Vierteln patrouillieren lassen, um Plünderer fernzuhalten.
Wir erwarteten mindestens zehntausend Menschen im Qualcomm-Stadion. Ich dachte mir, dass unter solchen Umständen wohl niemand an Dinge wie genügend Windeln und Babynahrung und Hundefutter denken würde. Also machte ich eine Liste und rief den Vorsitzenden des Verbands der Lebensmittelhändler an mit der Bitte, Kontakt zu Geschäften in der Region aufzunehmen, die das Stadion direkt mit den wichtigsten Dingen beliefern sollte. Er erklärte sich umgehend dazu bereit.
Dann telefonierte ich mit dem Weißen Haus und informierte Präsident Bush. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir eine rein professionelle Arbeitsbeziehung, freundlich, aber distanziert. Doch als die Feuer wüteten, reagierte der Präsident wirklich bewundernswert. Er hatte seine Lektion bei »Katrina« gelernt und wusste, was man in einem Notfall zu tun hat, denn er stellte die Fragen, an die nur jemand denkt, der selbst eine solche Katastrophe durchgemacht hat. Präsident Bush erklärte mir, sein Stabschef werde uns alles besorgen, was wir bräuchten, und ich solle ihn, Bush, immer direkt anrufen, wenn es etwas gäbe, was er wissen sollte. Da war ich noch skeptisch. Tatsächlich rief ich ihn fünfundvierzig Minuten später zurück, um noch eine Frage zu stellen, und er ging tatsächlich sofort selbst ans Telefon.
Zwei Tage später sollte auch Präsident Bush in Kalifornien erscheinen. Er dankte den Feuerwehrleuten, besuchte die Menschen in ihren Häusern, hielt Pressekonferenzen ab und stellte mir und den Brandmeistern jede Menge Fragen. Er bewies wirklich Führungsqualitäten.
Mein eigener Stabschef berichtete inzwischen, dass die Nationalgarde unterwegs sei. Susan war in Sacramento, um die Stellungnahme unseres Büros mit dem Kabinettsekretär, Dan Dunmoyer, abzustimmen, und ich hatte sie außerdem angewiesen, tausend Soldaten der Nationalgarde, die eigentlich zum Grenzschutz abgestellt waren, abzuziehen und zum Qualcomm-Stadion zu schicken. Sie rief den Generaladjutanten an und sagte, wir bräuchten die Soldaten. Der Mann hatte ganz offensichtlich noch keine Bekanntschaft mit Susan in Aktion gemacht. Er beging den Fehler, auf Formalitäten zu bestehen. »Okay«, erklärte er ihr, »wir brauchen einen Einsatzbefehl.«
»Der Einsatzbefehl lautet, tausend Mann von der Grenze abzuziehen und sie ins Qualcomm-Stadion zu bringen«, wiederholte sie.
»Aber ich brauche einen Einsatzbefehl. Darin muss genau stehen …«
»Das hier ist ihr verdammter Einsatzbefehl!«, stauchte sie ihn zusammen. »Schaffen Sie tausend Soldaten zum Qualcomm! Ich will, dass sie in einer Stunde unterwegs sind!« Der Mann besorgte uns die Soldaten.
Dann kümmerte sie sich um die Feldbetten, die die Leute natürlich brauchen würden. Tausende Feldbetten, Kissen und Decken waren in der Region für Notfälle gelagert worden. »Sie sind unterwegs«, sagten die Verantwortlichen immer wieder. Doch sie und Dan erfuhren bei ihren Nachfragen im Stadion, dass die Dinge nicht angekommen waren.
»Das reicht mir nicht«, sagte sie: »Wir müssen wissen , dass sie auf den Lastwagen sind. Ich will genau wissen, wo sie gerade sind. Geben Sie mir die Handynummern der Fahrer.« Stunden vergingen, und die Feldbetten tauchten nicht auf. Statt noch länger zu warten, riefen wir bei Walmart und anderen Einzelhandelsketten an. Noch am selben Tag flog ein C130-Frachtflugzeug der kalifornischen Nationalgarde mit Tausenden gestifteten Feldbetten vom Fliegerhorst Moffatt in Mountain View nach San Diego.
Maßnahmen wie diese finden sich nicht in Katastrophenhandbüchern. Ich hatte bei »Katrina« gesehen, was passiert, wenn jeder darauf wartet, dass der andere etwas tut – denn genau das empfehlen diese Handbücher. »Jede Katastrophe ist Angelegenheit der
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