Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Total Recall

Total Recall

Titel: Total Recall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Dürr (VS Mihr)
Vom Netzwerk:
auf Bundesebene Mist gebaut hatte, und mich als Gouverneur erwischte es kalt.
    Ich hatte nicht viel Geld zur Verfügung, aber ich setzte alles, was ich in die Hand bekam, ein, um auf die Krise zu reagieren. Wir versuchten, Gelder aus den Infrastrukturanleihen so schnell wie möglich einzusetzen, um Highways, Bahnstrecken und neue Straßen zu bauen und Brücken zu reparieren. Wir stellten Geld für Programme bereit, in denen arbeitslose Bauarbeiter umgeschult wurden. Wir überredeten Großgläubiger, ihre Zinsraten für über hunderttausend besonders gefährdete Hausbesitzer einzufrieren. Wir stellten mehr als tausend Arbeitskräfte an, die in staatlichen Callcentern Hypothekennehmer berieten und bei der Beantragung von Arbeitslosenunterstützung halfen.
    Kurz vor Weihnachten kam US-Finanzminister Hank Paulson nach Kalifornien, um über die Hypothekenkrise zu sprechen. Wir nahmen zusammen an einer Bürgerversammlung in Stockton teil, und ich hörte ihn sagen, man müsse das »Überspringen« der Immobilienrezession auf die allgemeine Wirtschaft »minimieren«. Damals bezeichnete ich in meinen Statements das Problem noch als einen »Schluckauf«. Aber ich hatte ein ungutes Gefühl dabei. Kurz darauf flog ich zu einer Gouverneurskonferenz nach Washington, wo Alphonso Jackson, Präsident Bushs Bauminister, in seiner Rede davon sprach, dass sich noch immer jeder Amerikaner seinen Traum vom eigenen Heim verwirklichen könne. Ich kannte Alphonso flüchtig und fing ihn in einer Pause ab, um ihn zu fragen, was wirklich los sei. »Es sieht nicht gut aus.« Mehr sagte er nicht. Sein Gesichtsausdruck beunruhigte mich.
    Ich beschloss, die Wirtschaftsprognosen für das Haushaltsjahr 2008 zu vergessen und auf ein Nullwachstum bei den Steuereinnahmen hinzuplanen. In unserem von einer guten Konjunktur abhängigen Staat war Nullwachstum weitaus schmerzlicher, als es klingen mag. Die Pensionen, die Ausgaben für Bildung und Gesundheit und andere Programme stiegen jährlich automatisch um zehn Milliarden Dollar, und dieser Anstieg war durch Gesetze oder Finanzierungsaufträge des Bundes festgelegt. Wenn also die Staatseinnahmen gleich blieben, konnten diese Ausgaben nur durch Kürzungen in anderen Bereichen finanziert werden. Ich musste wirklich harte Entscheidungen treffen. Wenn wir weniger für Gefängnisse ausgaben, mussten wir Häftlinge freilassen und setzten vielleicht die öffentliche Sicherheit aufs Spiel. Wenn wir bei der Bildung kürzten, was sagte das über unsere Fürsorge für die Kinder, die verletzlichsten Glieder unserer Gesellschaft? Und zeigten wir durch Einschnitte in der Gesundheitsfürsorge nicht, dass uns die Alten oder die Behinderten im Grunde gleichgültig waren?
    Letztendlich beschloss ich, in allen Bereichen quer durch die Bank Kürzungen von zehn Prozent vorzunehmen. Es ist hart, wenn man kein Geld mehr für die Dinge ausgeben kann, die man gerade noch selbst angestoßen hat. So hatte ich zum Beispiel ein Gesetz unterstützt, das die garantierte Unterbringung von Pflegekindern über das achtzehnte Lebensjahr hinaus fortsetzte, sodass die jungen Leute mit achtzehn nicht automatisch auf der Straße landeten. Ich war fest davon überzeugt, dass das Gesetz die Staatsausgaben für Gesundheitsfürsorge und Strafvollzug letzten Endes senken werde, weil Pflegekinder öfter als andere Kinder in Schwierigkeiten geraten, sobald sie auf sich gestellt sind. Ich hatte das Gesetz unterzeichnet, doch als die Finanzkrise zwei Monate später zuschlug, mussten wir unsere Finanzierung zurückziehen. Ich fühlte mich schrecklich, weil ich das Gefühl hatte, ich würde kneifen. Aber das Geld war einfach nicht mehr da.
    Die letzten Arbeitstage im Dezember 2007 brachten wir damit zu, Sprechstunden abzuhalten. Dazu luden wir Verteter zahlreicher Gruppierungen und Verbände ein. Ich hatte das Bedürfnis, den Menschen gegenüberzutreten, die von unseren Kürzungen unmittelbar betroffen waren, ihnen in die Augen zu schauen und ihnen selbst zu sagen, womit wir es finanziell zu tun hatten. »Die Demokraten sind beschissen dran, die Republikaner sind beschissen dran, wir sind alle beschissen dran«, erklärte ich ihnen. Wenn ich sie nach ihrer Meinung fragte, dankten sie mir überraschenderweise dafür, dass ich offen mit ihnen geredet hatte. Kein Gouverneur hatte ihnen je zuvor persönlich Etatkürzungen angekündigt. Viele überlegten mit und machten Vorschläge, wie man aus der Situation das Beste machte.
    Es ärgerte mich maßlos, dass

Weitere Kostenlose Bücher