Total Recall
strengen Zweckbindung, auf der ich bestanden hatte. Es war völlig verrückt: Demokraten und Gewerkschaften hatten jahrelang mehr Staatseinnahmen gefordert. Jetzt hatte ich, ein Republikaner, ihnen Steuererhöhungen gegeben, und was taten sie? Sie kämpften dagegen!
Ich hatte mich immer für den geborenen Verkäufer gehalten, aber jetzt versagten meine Überredungskünste. Ich musste feststellen, dass ich die Bürger, nachdem ich sechs Jahre lang versucht hatte, ihnen das Haushaltsproblem des Bundesstaates nahezubringen, nicht hinter mich bringen konnte. Als sich unsere Niederlage abzeichnete, versuchte ich es sogar mit Panikmache. Ich legte den Bürgerinnen und Bürgern eine apokalyptische »Haushalts-Alternative« vor, um ihnen zu zeigen, dass der Teufel los wäre, wenn sie uns hängenließen. In der »Alternative« war von der Freilassung von fünfzigtausend Häftlingen die Rede, der Entlassung von Tausenden von Lehrern und anderen Staatsangestellten und dem Notverkauf von San Quentin, dem ältesten Gefängnis von Kalifornien, und dem Coliseum-Sportstadion, einem der Wahrzeichen von Los Angeles.
Wir verloren trotzdem. Die Wähler lehnten alle wichtigen Maßnahmen ab, und in den nächsten paar Monaten musste das Parlament wieder ganz von vorn anfangen und sich noch einmal mit dem Haushalt 2009 herumschlagen. Leider erwies sich meine apokalyptische Vision als ziemlich zutreffend. Im Juni musste ich Kürzungen von 24 Milliarden Dollar verkünden. Tausende Lehrer und Angestellte im öffentlichen Dienst wurden entlassen. Der Staat musste Schuldscheine im Wert von 2,6 Milliarden Dollar ausstellen, um Rechnungen zu zahlen, da wir wieder knapp bei Kasse waren. Immerhin verkauften wir das Coliseum und San Quentin nicht.
Unsere Familie hatte in diesem Sommer einen schrecklichen Verlust zu verkraften. Eunice und Sarge verbrachten den Urlaub wie üblich in Hyannis Port, obwohl sie inzwischen wirklich alt und ziemlich gebrechlich waren: Sarge war 93 und Eunice 88. Sarge litt an Alzheimer im fortgeschrittenen Stadium. Er erkannte nicht einmal mehr seine Frau. Sie waren erst zwei Wochen in Hyannis, als Eunice am 9. August ins Cape Cod Hospital eingeliefert werden musste. Zwei Tage später starb sie dort.
Eunice hatte ihr Leben lang so viel für die Menschen getan, dass man überall auf der Welt um sie trauerte. Die Kennedys ehrten ihr Angedenken in einer Totenmesse in eben jener Kirche, in der Maria und ich mehr als zwanzig Jahre zuvor geheiratet hatten. Sarge konnte an dem Trauergottesdienst teilnehmen, Teddy jedoch konnte aus Krankheitsgründen nicht anreisen. Im Jahr zuvor war bei ihm ein Gehirntumor diagnostiziert worden. Die Krankheit war bereits im Endstadium. Zwei Wochen später starb Teddy in Boston.
Es war schwer für mich, Abschied von Eunice zu nehmen. Sie hatte mich beraten, unterstützt, motiviert und war immer die beste Schwiegermutter der Welt gewesen. Aber meine Gefühle waren nichts gegen den Verlust, den meine Frau zu verkraften hatte. Nie hatte ich Maria so leiden sehen. Wir redeten viel über ihre Mutter, aber öffentlich sprach sie erst zwei Monate später über ihre Trauer, als sie eine Rede bei der Frauenkonferenz in Long Beach in Kalifornien hielt, die ihr immer sehr am Herzen gelegen hatte. Sie sagte vor Tausenden Zuhörerinnen: »Wenn die Leute mich fragen, wie es mir geht, sage ich immer: Gut, ich kommte zurecht. Aber Tatsache ist, es geht mir nicht gut. Tatsache ist, der Tod meiner Mutter hat mich in die Knie gezwungen. Sie war meine Heldin, mein Vorbild, meine allerbeste Freundin. Ich habe jeden Tag meines Lebens mit ihr gesprochen. Als ich groß wurde, hatte ich nur einen Wunsch: Ich wollte, dass sie stolz auf mich war.«
Im Herbst des Jahres flog ich nach Dänemark in einer Mission, die meine Schwiegermutter ganz sicher stolz gemacht hätte. Eunice und Sarge hatten nie gezögert, Grenzen zu überschreiten und bürokratische Hürden zu überwinden, wenn es darum ging, sich für andere einzusetzen. So gründete Eunice die Special Olympics und Sarge das Friedenscorps.
Ban Ki-Moon, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, war ebenso wie ich auf der Suche nach angemessenen Reaktionen auf den Klimawandel. Zwei Jahre zuvor, 2007, hatte ihn die kalifornische Klimaschutzinitiative so beeindruckt, dass er mich einlud, die Eröffnungsrede der Klimaschutz-Sondersitzung der Vereinten Nationen zu halten. Als ich im Herbst jenes Jahres das Rednerpodium betrat, war ich ganz überwältigt von dem
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