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Total Recall

Total Recall

Titel: Total Recall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Dürr (VS Mihr)
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sie von mir hörten, kamen sie in unser Studio. Ich trainierte mit Männern wie Harold Sakata aus Hawaii, dem Darsteller des Oddjob, dem Bösewicht im James-Bond-Film Goldfinger , der damals gerade in die Kinos kam. Wie viele Ringer hatte Harold als Gewichtheber angefangen und bei den Olympischen Spielen 1956 in Melbourne für die USA sogar eine Silbermedaille gewonnen, verdiente aber seitdem sein Geld als Profiringer. Bei uns trainierten Ringer aus Ungarn, Frankreich und der ganzen Welt. Ich öffnete das Studio für sie, auch wenn wir normalerweise geschlossen hatten, und ging abends zu den Ringkämpfen. Sie wollten unbedingt einen Ringer aus mir machen, aber das verfing bei mir nicht, ich hatte ja bereits andere Pläne.
    Bei uns im Studio herrschte ein buntes Treiben wie bei den Vereinten Nationen, was mich mit Stolz erfüllte, weil ich bei allem, was ich tat, international dachte. Wenn amerikanische und britische Bodybuilder nach München kamen, schauten sie bei uns vorbei, und auch bei den in der Nähe stationierten amerikanischen GIs sprach sich bald herum, dass man im Universum Sportstudio gut trainieren konnte.
    Unser breites Kundenspektrum war ein wichtiges Verkaufsargument. Wenn jemand zu mir sagte: »Ich war drüben bei Smolana. Dort gibt es viel mehr Geräte«, antwortete ich: »Dort gibt es einen Raum mehr, da haben Sie recht. Aber trotzdem wollen viele lieber hier trainieren. Wenn ein amerikanischer Bodybuilder aus Übersee nach München kommt, trainiert er hier. Wenn die US-Soldaten einen Trainingsraum suchen, kommen sie hierher. Wenn die Profiringer in der Stadt sind, trainieren sie hier. Wir haben sogar Frauen, die gern bei uns mitmachen wollen!« Ich machte daraus ein richtiges Programm.
    Mein Erfolg in London lieferte mir die Bestätigung, dass ich auf dem richtigen Weg war. Meine Ziele waren nicht unerreichbar. Jeder Sieg in einem Wettkampf bestärkte mich in meiner Überzeugung. Nach der Teilnahme am Mister-Universum-Wettbewerb gewann ich mehrere Titel, darunter den des Mister Europa. Noch wichtiger für meinen lokalen Ruf war jedoch der Sieg beim Steinheben im Löwenbräukeller. Ich hob den legendären 508 Pfund schweren Stein höher als jeder andere damals.
    Bei der nächsten Mister-Universum-Ausscheidung galt ich als Favorit. Aber das genügte mir nicht. Ich wollte den Wettkampf dominieren. Wenn ich bereits das letzte Mal mit meiner Größe und Kraft beeindruckt hatte, wollte ich dieses Mal noch stärker und muskulöser sein und meine Konkurrenten regelrecht deklassieren.
    Also richtete ich meine ganze Energie und Aufmerksamkeit auf einen Trainingsplan, den ich zusammen mit Wag Bennett ausgearbeitet hatte. Monatelang gab ich den Großteil meines Gehalts für hochwertige Lebensmittel, Vitamine und Proteintabletten aus, die den Muskelaufbau fördern sollten. Als Getränk wählte ich ein Gebräu, das wie das albtraumhafte Gegenteil von Bier aussah – reine Bierhefe, verquirlt mit Milch und rohen Eiern. Das roch und schmeckte so widerlich, dass Albert schon nach einer kleinen Kostprobe würgen musste. Aber ich war von seiner Wirkung überzeugt, und vielleicht war es ja auch so.
    Ich las alles, was ich über Trainingsmethoden in der DDR und der Sowjetunion finden konnte. Die Gerüchte mehrten sich, dass die Gewichtheber, Kugelstoßer und Schwimmer dort leistungssteigernde Mittel nahmen. Sobald ich herausfand, dass es sich dabei um Steroide handelte, ging ich zum Arzt, um sie ebenfalls auszuprobieren. Damals waren Steroide noch nicht verboten, man bekam sie auf Rezept, doch ihr Einsatz war bereits umstritten. Bodybuilder redeten über Steroide nicht so offen wie über Trainingsmethoden und Nahrungsergänzungsmittel, und man war sich auch nicht sicher, ob die Bodybuilding-Zeitschriften darüber berichten und die Leser aufklären oder den Trend ignorieren sollten.
    Mir genügte das Wissen, dass die internationalen Top-Athleten Steroide nahmen. Die Bestätigung holte ich mir, indem ich in London nachfragte. Ich wollte nicht im Nachteil sein, wenn ich zum Wettkampf antrat. »Nichts unversucht lassen«, lautete mein Motto. Es gab auch keine Hinweise auf mögliche Risiken. Die Forschung über die Nebenwirkungen von Steroiden steckte noch in den Anfängen. Doch selbst wenn sie bekannt gewesen wären, hätte mich das vermutlich nicht abgeschreckt. Ski-Abfahrtsläufer und Formel-1-Rennfahrer wissen, dass sie tödlich verunglücken können, aber sie betreiben trotzdem ihren Sport. Wer viel riskiert und

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