Total Recall
Sportkleidung. Die meisten trainierten in Jeans und Karohemden, Trägershirts, Unterhemden oder Sweatshirts. Der Fußboden im Studio war nackter Estrich, dafür gab es Plattformen fürs Gewichtheben, wo man problemlos 500 Kilo fallen lassen konnte, ohne dass sich jemand beschwerte. Gold’s Gym ähnelte mehr den Studios, wie ich sie kannte.
Joe Gold war der gute Geist des Studios. Seit seiner Teenagerzeit in den dreißiger Jahren gehörte er zum ursprünglichen Muscle Beach von Santa Barbara. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem er als Maschinist bei der Handelsmarine im Einsatz war, kehrte er nach Kalifornien zurück und begann mit dem Bau von Trainingsgeräten. Fast jedes Gerät im Studio war von Joe entworfen worfen.
Hier war nichts filigran. Alles, was Joe baute, war groß und schwer und funktionierte. Beispielsweise konnte man an seinem Rudergerät mit Seilzug die Fußrasten so einstellen, dass man den unteren Teil des Latissimus trainieren konnte, ohne das Gefühl zu haben, gleich vom Sitz geschleudert zu werden. Wenn Joe ein Gerät entwarf, arbeitete er nicht im stillen Kämmerlein, sondern bezog andere mit ein. Das bedeutete, dass der Griffwinkel perfekt war und sich nichts verkantete. Außerdem war er jeden Tag da, die Geräte wurden also ständig gewartet.
Manchmal erfand Joe auch ganz neue Geräte, zum Beispiel eins für Donkey Raises – Wadenheben im Stehen. Diese Übung war für mich sehr wichtig, weil meine Waden im Vergleich zum übrigen Körper von Natur aus dünn waren und nur schlecht Muskelmasse bildeten. Für Donkey Raises stellte man sich normalerweise mit den Fußballen auf eine Stange oder ein Brett und hielt Mittelfuß und Ferse in der Schwebe. Dann beugte man die Hüften um neunzig Grad nach vorn und stützte die Arme auf einer Stange auf. Nun bekam man wie ein Maultier ein oder zwei Trainingspartner auf den Rücken gesetzt und bewegte mit dieser Last die Waden auf und ab. Mit Joes Gerät brauchte man keine Reiter mehr. Man packte das gewünschte Gewicht drauf, beugte den Oberkörper wie üblich im rechten Winkel und löste die Sperre. Mit den 300 Kilo oder einem anderen Gewicht über sich konnte man dann die Waden trainieren.
Das Gold’s wurde schnell mein zweites Zuhause, dort fühlte ich mich richtig wohl. Es gab immer ein paar Bodybuilder, die sich am Eingangstresen die Zeit vertrieben. Alle Stammkunden hatten Spitznamen, etwa Fat Arm Charlie oder Brownie oder Snail. Zabo Koszewski trainierte dort jahrelang, er war gut mit Joe Gold befreundet. Die anderen nannten ihn den Chief. Er hatte die besten Bauchmuskeln. Beim Bauchmuskeltraining machte er jeden Tag tausend Wiederholungen und hatte einen entsprechenden Waschbrettbauch. Meine Bauchmuskeln waren nicht so gut definiert, und Zabo sagte mir schon bei unserer ersten Begegnung, dass ich Diät halten müsste. »Verstehst du? Du bist pummelig.« Joe Gold verpasste mir daraufhin den Spitznamen »Balloon Belly«, und fortan hieß ich entweder »Balloon Belly« (Ballonbauch) oder »Chubby« (Pummel).
Zabo hatte eine beträchtliche Sammlung Haschpfeifen. Wir gingen oft zum Kiffen zu ihm. Er war ein begeisterter Leser von Science-Fiction-Romanen. Bei ihm hieß es immer »Hey, man, wow« und »groovy« und »echt abgefahren«. Aber in Venice redeten viele so, und auch Joints waren so normal wie Bier. Egal wen man besuchte, irgendwann wurde ein Joint angezündet, und es hieß: »Nimm einen Zug.« Oder eine Haschpfeife, je nachdem, wie mondän man sich gab.
Ich lernte schnell, was die Leute meinten, wenn sie »groovy« oder »cool« sagten. Ich stellte auch fest, dass Horoskope eine wichtige Rolle spielten, wenn man eine Frau anbaggern wollte. Einmal sprach ich ein hübsches Mädchen an und sagte: »Du und ich, wir passen doch gut zusammen, wir sollten mal zusammen essen gehen.«
Aber sie sagte: »Immer hübsch langsam. Welches Sternzeichen bist du?«
»Löwe.«
»Löwe passt nicht zu mir. Löwe passt absolut nicht zu mir. Nein danke.«
Und weg war sie. Am nächsten Tag ging ich ins Studio und sagte: »Jungs, ich habe ein Problem. Ihr wisst ja, ich lerne noch.« Ich erzählte ihnen die Geschichte.
Zabo wusste Rat: »Mann, du musst sagen: ›Ich bin das beste Sternzeichen.‹ Versuch’s mal damit.«
Schon nach wenigen Wochen ergab sich die Gelegenheit. Ich unterhielt mich mit einem Mädchen beim Mittagessen und sie fragte: »Welches Sternzeichen bist du?«
Ich fragte zurück: »Was glaubst du?«
»Na, welches denn?«
»Das
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