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Total Recall

Total Recall

Titel: Total Recall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Dürr (VS Mihr)
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berühmter Bodybuilder an, die im Gold’s trainierten, und stellte mir einen riesigen Sportklub mit Basketballplätzen und Schwimmbädern vor, mit Räumen für Fitness, Gewichtheben, Kraftdreikampf und Kampfsport. Ähnlich wie die riesigen Klubs von heute. Aber dann war alles sehr einfach und primitiv, ein einziger Raum mit Zementfußboden und zwei Etagen, etwa halb so groß wie ein Basketballfeld, mit unverputzten Wänden aus Betonblöcken und Oberlichtern an der Decke. Die Ausstattung war allerdings sehr interessant, außerdem sah ich großartige Kraftdreikämpfer und Bodybuilder bei der Arbeit mit beeindruckenden Gewichten. Die Atmosphäre stimmte also. Außerdem lag das Studio nur zwei Straßen vom Strand entfernt.
    Die Umgebung des Gold’s Gym in Venice war deutlich weniger beeindruckend als das Fitnessstudio. Die Häuser an den Straßen und Gassen sahen aus wie die Baracken aus meiner Militärzeit. Warum baute jemand an so einem schönen Ort billige Holzbaracken? Manche Häuser waren heruntergekommen und standen leer. Die Gehwege waren rissig und sandig, einige Abschnitte waren nicht einmal geteert, und zwischen den Häusern wucherte das Unkraut. »Das ist Amerika!«, dachte ich. »Warum wird das nicht geteert? Warum werden die verlassenen Häuser nicht abgerissen und an ihrer Stelle schöne Gebäude errichtet?« Eins wusste ich sicher: In Graz würde man nirgends einen Gehweg finden, der nicht geteert war. Außerdem waren die Gehwege überall sauber gefegt und makellos. Es war unbegreiflich.
    Für mich war es eine große Herausforderung, in ein Land zu ziehen, wo alles anders aussah und mir die Sprache ebenso fremd war wie die Kultur. Die Leute dachten anders und arbeiteten anders. Die Unterschiede waren enorm. Aber im Gegensatz zu den meisten anderen Neuankömmlingen hatte ich einen großen Vorteil: Wenn man eine internationale Sportart betreibt, ist man nie völlig allein.
    Unter Bodybuildern besteht eine unglaubliche Gastfreundschaft. Egal wo man hinkommt, man muss niemanden kennen und wird doch stets herzlich empfangen. Einheimische Bodybuilder holen den Fremden am Flughafen ab und laden ihn zu sich nach Hause ein. Sie geben ihm zu essen und führen ihn herum. Amerika bot in dieser Hinsicht noch eine Steigerung.
    Ein Bodybuilder in Los Angeles hatte ein Zimmer, wo ich für die ersten Tage unterkommen konnte. Als ich zum ersten Training ins Studio kam, begrüßten mich alle, umarmten mich und gaben mir zu verstehen, wie sehr sie sich freuten, dass ich jetzt einer von ihnen war. Sie fanden eine kleine Wohnung für mich, und das war erst der Anfang ihrer enormen Hilfsbereitschaft. Die Bodybuilder organisierten eine Sammelaktion und standen eines Morgens mit Kartons und Kisten bepackt vor meiner Tür. Man muss sich das einmal vorstellen: große, muskulöse Kerle, riesige Bären, denen man nie etwas Zerbrechliches anvertrauen würde und die im Studio jeden Tag sagten: »Schau dir den Brustkorb an, Mann!«, oder: »Heute schaffe ich 500 Pfund, verdammt noch mal.« Und plötzlich tragen sie Pappkartons und Schachteln, und einer sagt: »Schau mal, was wir dir mitgebracht haben«, öffnet eine kleine Schachtel und holt Besteck heraus. »Du brauchst Besteck, damit du hier etwas essen kannst.« Ein anderer wickelt ein Päckchen aus und meint: »Meine Frau hat mir gesagt, dass ich die Teller nehmen kann, sie sind alt. Jetzt hast du fünf Teller.« Sie nannten mir die englischen Namen der Sachen und erklärten mir alles Mögliche. Einer brachte mir einen kleinen Schwarz-Weiß-Fernseher, half beim Aufstellen und zeigte mir, wie man die Antenne ausrichtete. Auch an Essen hatten sie gedacht, das wir uns jetzt in der Runde schmecken ließen.
    Ich dachte mir: »So etwas habe ich in Deutschland oder Österreich nie erlebt. Daran hätte niemand gedacht.« Von mir wusste ich mit Sicherheit, dass ich gar nicht auf die Idee gekommen wäre, einem neuen Nachbarn derart behiflich zu sein. Ich fühlte mich wie ein Idiot. Ihre Großzügigkeit war eine wichtige Erfahrung für mich.
    Die Jungs nahmen mich mit nach Hollywood. Ich wollte dort ein paar Bilder von mir machen und meinen Eltern einen Gruß schicken, nach dem Motto: »Jetzt bin ich in Hollywood. Als Nächstes kommen die Filme.« Wir fuhren also ein Stück, bis einer sagte: »Okay, das ist der Sunset Boulevard.«
    »Und wann kommen wir nach Hollywood?«, fragte ich.
    »Das ist Hollywood.«
    In meiner Fantasie musste ich wohl Hollywood mit Las Vegas verwechselt haben, denn

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