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Total Recall

Total Recall

Titel: Total Recall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Dürr (VS Mihr)
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Vielleicht konnte ich mich auf Marketing spezialisieren und später Bodybuilding-Bedarf verkaufen, Nahrungsergänzungsmittel, Geräte fürs Training daheim und Geräte für Studios. Oder ich könnte eine Kette mit Fitnessstudios gründen und ein Firmenimperium leiten – wie Reg Park, aber weltweit. Das wäre doch unglaublich! Ich wusste, dass mich das Geschäftliche mehr interessierte als die meisten Bodybuilder. Wenn Joe einem anderen Bodybuilder vorgeschlagen hätte, ihn nach Japan auf Geschäftsreise zu begleiten, hätte er gesagt: »Japan? Klingt öde. Gibt es dort gute Fitnessstudios? Ich will lieber trainieren«, oder etwas in der Art. Vielleicht war es ja wirklich meine Bestimmung, der Weider der nächsten Generation zu werden. Joe bereitete es eindeutig Freude, mich anzulernen. Zufrieden stellte er fest: »Du interessierst dich wirklich dafür!«
    Ich lernte von ihm mehr als das rein Geschäftliche. Er sammelte edle Möbel und Kunst, was mich sehr faszinierte. Wenn ich bei ihm in seiner New Yorker Wohnung übernachtete, bestaunte ich die Gemälde, Skulpturen und Antiquitäten. Er erzählte von Auktionen und erläuterte: »Das hat so und so viel gekostet. Jetzt kostet es so viel.«
    So erfuhr ich zum ersten Mal, dass alte Möbel im Preis steigen können. Bis dahin hatte ich sie nur als alten Kram betrachtet. Aber jetzt erklärte Joe: »Dieser Stuhl ist französisches Empire. Er ist aus Mahagoni. Siehst du die Schwäne, die in die Armlehnen geschnitzt sind? Der Schwan war das Lieblingstier von Napoleons Frau, der Kaiserin Josephine. Und siehst du die Intarsien, die Sphinx aus Messing in der Rückenlehne? Die Franzosen hatten viel für ägyptische Motive übrig.« Ich ging sogar mit ihm zu Kunstauktionen bei Sotheby’s, Christie’s und anderen Auktionshäusern.
    Der Stuhl aus napoleonischer Zeit zählte zu Joes kostbarsten Stücken. Er stand im Gästezimmer. Als ich zum ersten Mal dort übernachtete, machte Joe viel Aufhebens darum: »Der ist zerbrechlich und sehr, sehr teuer. Pass ja auf, setz dich auf keinen Fall drauf, am besten fasst du ihn gar nicht an, okay?« Ich wollte wirklich vorsichtig sein, aber als ich abends die Hose auszog, verfing sich irgendwie mein Fuß im Hosenbein, ich verlor das Gleichgewicht, strauchelte und fiel direkt auf den Stuhl. Er brach unter meinem Gewicht sofort zusammen. Er sah aus, als ob er explodiert wäre. Ich ging zu Joe und sagte: »Ich muss dir etwas beichten. Ich habe gerade deinen Stuhl kaputt gemacht.«
    Er stürmte in mein Zimmer und wurde fast ohnmächtig, als er die Trümmer sah. Dann fing er an zu schimpfen: »Du Vollidiot! Der Stuhl ist so verdammt teuer!« Er riss sich jedoch schnell wieder zusammen, weil er merkte, dass er ziemlich geizig wirkte, wenn er sich so über einen Stuhl aufregte. Schließlich kann man einen Stuhl wieder zusammenleimen, wenn er kaputtgeht. Er war ja nicht wirklich explodiert, er war nur an den Stellen, an denen er verleimt war, auseinandergebrochen.
    Natürlich fühlte ich mich schuldig, konnte mir aber trotzdem nicht verkneifen zu sagen: »Ich fass es nicht. Ich habe mir das Knie gestoßen und meine Hüfte tut weh, und du denkst tatsächlich nur an diesen Stuhl?«
    Joe hatte sofort ein schlechtes Gewissen. »Mein Gott«, sagte er, »du hast recht. Schau dir das an! Wie billig das zusammengeleimt ist.« Und dann beschimpfte er die alten Franzosen, die nicht mal einen Stuhl richtig leimen konnten.
    Nach meinem Besuch in New York flog ich nach Chicago zum Wettkampf um den Titel des Mister America, der von der AAU ausgetragen wurde. Außerdem wollte ich eine Woche mit Sergio Oliva trainieren. Obwohl wir im Herbst gegeneinander antreten würden, nahm er mich sehr gastfreundlich auf. Er und seine Frau luden mich in ihre Wohnung zum Abendessen ein, wo ich zum ersten Mal Bekanntschaft mit der schwarzen kubanischen Latinokultur machte. Sergio sprach ganz anders, kleidete sich anders und behandelte seine Frau anders, als ich es kannte, beide waren sehr temperamentvoll, verloren schnell die Geduld und schrien sich dann an. Dennoch war Sergio ein echter Gentleman.
    Ich war quasi als Spion unterwegs. Ich dachte, man müsste sich ins feindliche Lager schleichen und herausfinden, wie der Gegner die Welt sieht! Was macht ihn zum Champion, wie ernährt er sich, wie lebt er, was kann man von seinen Trainingsmethoden lernen? Wie studiert er seine Posen ein, wie trainiert er sie? Welche Einstellung hat er zum Wettkampf? Diese Informationen änderten

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