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Total Recall

Total Recall

Titel: Total Recall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Dürr (VS Mihr)
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natürlich nichts an meinem Körper, ich musste immer noch trainieren, um Sergio zu schlagen, aber sie motivierten mich und zeigten mir auf, was ich für den Sieg benötigte. Vielleicht fand ich eine Schwäche an ihm, die ich psychologisch für mich nutzen konnte? Ich war überzeugt, dass es beim Sport nicht nur um den Körper geht, sondern auch um psychologische Kriegsführung. Gleich am Anfang musste ich feststellen, dass Sergio noch härter trainierte als ich. Er arbeitete Vollzeit in einem Stahlwerk und ging nach einem harten Tag in der Hitze der Hochöfen zum Sportclub des Duncan YMCA und trainierte dort noch stundenlang. Er kam nur langsam in Schwung. Zum Trainingsbeginn machte er jeden Tag zehn Sets mit zwanzig Klimmzügen. Nicht als Rückentraining, sondern einfach zum Aufwärmen. Und das jeden Tag. Er hatte mehrere ungewöhnliche Techniken, die ich mir bei ihm abschaute. Beim Bankdrücken führte er die Bewegung nur zur Hälfte aus, ohne die Ellbogen ganz durchzustrecken. Dadurch lag die Spannung die ganze Zeit auf dem Brustmuskel, und er hatte wirklich schöne, volle Brustmuskeln. Auch beim Üben seiner Posen lernte ich einiges von ihm.
    Doch ich begriff auch, dass das, was bei Sergio funktionierte, nicht zwangsläufig für mich gut sein musste. Wir waren einfach zu gegensätzlich. Ich hatte bessere Muskeln zum Ziehen (Bizeps und Rücken), während seine Muskeln besser zum Drücken geeignet waren (vorderer Deltamuskel und Brustmuskeln). Um Sergio zu schlagen, musste ich diese Muskeln viel härter trainieren und mehr Sets machen. Sein anderer großer Vorteil waren seine jahrelange Erfahrung und sein großes natürliches Potenzial – er war ein echtes Tier. Aber vor allem inspirierte mich an Sergio, wie er für den Sport brannte. Auch in diesem Punkt, sagte ich mir, musste ich ihn übertreffen.
    Ich wusste auch schon, wer mir dabei helfen würde. In Kalifornien hatte ich die weltbesten Trainingspartner, trotzdem lag ich Joe bereits seit meiner Ankunft ständig in den Ohren, dass er auch meinen Freund Franco nach Amerika holen solle. Mir fehlten meine Kameraden aus München, und sie fanden es wahrscheinlich seltsam, dass ich so plötzlich nach Kalifornien verschwunden war. Doch Franco fehlte mir besonders, weil wir wie Brüder waren und er der perfekte Trainingspartner für mich war. Er war Ausländer wie ich, und selbst in München hatten uns schon unsere Einwanderermentalität und der Hunger nach Erfolg verbunden. Harte Arbeit war für uns das Einzige, worauf man sich verlassen konnte. Ich war überzeugt, dass Amerika für Franco eine genauso großartige Erfahrung wäre wie für mich.
    Sentimentale Argumente wie Freundschaft zählten bei Joe nicht, daher machte ich ihm Francos Einreise in kommerzieller Hinsicht schmackhaft. »Hol Franco her«, sagte ich ihm, »und du hast das Profi-Bodybuilding in der Tasche. Über Jahre! Du wirst den besten großen Mann in der Schwergewichtsklasse haben« – damit meinte ich mich – »und den besten kleinen im Leichtgewicht.« Ich sagte, dass Franco der stärkste Gewichtheber der Welt sei (das stimmte, er schaffte beim Kreuzheben mehr als das Vierfache seines Körpergewichts), und erzählte, wie er sich fürs Bodybuilding selbst in Form gebracht hatte.
    Außerdem erklärte ich Joe, dass Franco der perfekte Trainingspartner für mich war. Wenn wir zusammenarbeiten würden, könnte ich noch erfolgreicher sein. Franco, versicherte ich ihm, sei fleißig und würde seinen Aufenthalt in Kalifornien nie damit verschwenden, faul am Strand zu liegen. Er habe als Schäfer, Maurer und Taxifahrer gearbeitet. »Glaub mir, er ist kein fauler Hund«, sagte ich.
    Joe ließ sich mit der Entscheidung Zeit. Wenn ich auf Franco zu sprechen kam, tat er immer so, als ob er den Namen noch nie gehört hätte, und ließ sich die Argumente stets aufs Neue nennen. Aber Mitte des Jahres 1969 gab er endlich nach. Er erklärte sich bereit, Franco einzuladen und ihm wie mir 65 Dollar die Woche zu bezahlen. Und dann begann er sofort zu prahlen, dass er einen fantastischen kleinen Kerl aus Europa in die USA holen würde. Allerdings konnte er sich Namen nur schlecht merken und wusste daher nicht mehr so richtig, wie Franco eigentlich hieß. »Ratet mal, wen wir in die USA holen!«, verkündete er beim Essen. »Francisco Franco!«
    Artie, der zufällig dabei war, meinte: »Den spanischen Diktator?«
    »Nein, ich glaube, er heißt Kolumbus.«
    »Bist du sicher?«, fragte Artie. »Kolumbus hat Amerika

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