Total verhext
Taille – sie hatte saphirblaue Augen.
»Du weißt über Spiegel-Magie Bescheid, nicht wahr? Dies ist mein Spiegel, Frau Wetterwachs. Ich kann dafür sorgen, daß er dich zeigt. Und wenn dein Spiegelbild Schmerzen hat, so spürst du sie ebenfalls. Bitte zwing mich nicht, zu einem solchen Mittel zu greifen.«
»Du mußt selbst wissen, welche Mittel du benutzt. Ich kümmere mich um Lily.«
»Ich rate dir zur Vorsicht, Esme«, flüsterte Nanny Ogg. »Mit solchen Sachen kennt sie sich aus.«
»Ich glaube, sie kann sehr grausam sein«, fügte Magrat hinzu.
»Ich habe den größten Respekt vor Frau Gogol«, antwortete Oma. »Eine großartige Frau, kein Zweifel. Aber sie redet zuviel. An ihrer Stelle hätte ich bereits zwei lange Nägel in das Ding geschlagen.«
»Ja, dazu wärst du durchaus fähig«, sagte Nanny. »Zum Glück bist du die Gute, nicht wahr?«
»In der Tat.« Und lauter: »Ich suche jetzt meine Schwester, Frau Gogol. Dies ist eine Familien angelegenheit.«
Mit entschlossenen Schritten ging Esme zur Treppe.
Magrat holte den Zauberstab hervor.
»Wenn sie Oma irgend etwas antut, verbringt sie den Rest ihres Lebens als etwas Rundes und Orangefarbenes mit Kernen drin.«
»Es würde Esme gewiß nicht gefallen, wenn du dich zu so etwas hinreißen läßt«, sagte Nanny. »Keine Sorge. Sie glaubt nicht an den Unsinn mit Nadeln und Puppen.«
»Es spielt überhaupt keine Rolle, ob sie daran glaubt oder nicht!« entfuhr es Magrat. »Wichtig ist nur, daß Frau Gogol daran glaubt! Es ist ihre Macht! Das ist kein Unsinn, sondern etwas sehr Reales!«
»Das dürfte Esme sicher klar sein.«
Oma erreichte die unterste Treppenstufe.
»Frau Wetterwachs!«
Sie drehte sich um.
Frau Gogol hielt einen langen, nadelartigen Holzspan in der Hand. Sie stach ihn in den einen Fuß der Puppe und schüttelte dabei fast verzweifelt den Kopf.
Alle sahen, wie Oma Wetterwachs zusammenzuckte.
Ein zweiter Span bohrte sich in den Arm.
Langsam hob Oma die andere Hand und schauderte, als sie damit nachdem Ärmel tastete. Dann stieg sie die Treppe hoch und hinkte dabei ein wenig.
»Ich könnte mir jetzt das Herz vornehmen, Frau Wetterwachs!« rief Frau Gogol.
»Das könntest du sicher, ja«, erwiderte Esme, ohne sich umzudrehen. »Ich weiß, daß du dazu imstande bist. Und du weißt es ebenfalls.«
Frau Gogol schob einen dritten Span in die Puppe. Oma Wetterwachs erbebte am ganzen Leib und hielt sich am Geländer fest. Neben ihr brannte eine große Fackel.
»Beim nächsten Mal kommt das Herz dran!« warnte die Voodoo-Magierin. »Ich meine es ernst. Beim nächsten Mal!«
Oma drehte sich um.
Ihr Blick glitt über Hunderte nach oben starrender Gesichter.
Sie sprach so leise, daß sie kaum zu hören war.
»Ich weiß, daß das keine leere Drohung ist, Frau Gogol. Du bist wirklich davon überzeugt, mein Herz durchbohren zu können. Nur um ganz sicher zu sein … Unsere Auseinandersetzung dreht sich um Lily, nicht wahr? Und um die Stadt?«
»Wen interessiert das jetzt noch?« entgegnete Frau Gogol. »Gibst du nach?«
Oma Wetterwachs steckte den kleinen Finger ins Ohr und drehte ihn nachdenklich hin und her.
»Nein«, sagte sie schließlich. »Nein, ich glaube, ich gebe nicht nach. Beobachtest du mich, Frau Gogol? Behältst du mich aufmerksam im Auge?«
Ihr Blick wanderte erneut durch den Saal und verharrte für einen Sekundenbruchteil auf Magrat.
Dann hob sie den Arm und streckte ihn bis zum Ellenbogen in die Flamme der Fackel.
Die Puppe in Erzulie Gogols Händen brannte plötzlich.
Sie brannte auch noch, nachdem die Voodoo-Magierin geschrien und sie fallen gelassen hatte. Funken stoben aus ihr hervor, bis Nanny Ogg einen Krug mit Fruchtsaft vom Büfettisch nahm und fröhlich pfeifend die Glut löschte.
Oma zog den Arm zurück. Nicht eine einzige Brandblase zeigte sich daran.
»Das ist Kopfologie«, sagte sie. »Nur darauf kommt es an. Alles andere ist Pfuscherei. Hoffentlich habe ich dich nicht verletzt, Frau Gogol.«
Sie brachte auch die letzten Treppenstufen hinter sich.
Die Voodoo-Frau sah auf die feuchte Asche. Nanny Ogg klopfte ihr tröstend auf die Schulter.
»Wie hat sie das fertiggebracht?« fragte Erzulie Gogol.
»Sie hat dich dazu veranlaßt«, erwiderte Nanny. »Bei Esme Wetterwachs mußt du wirklich aufpassen. Es wäre sicher faszinierend, eine Begegnung zwischen ihr und den Zen-Burschen mitzuerleben.«
»Und sie ist die Gute?« erkundigte sich Baron Samstag.
Nanny nickte. »Ja. Komisch, wie sich die
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