Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)
Fackel einer Hexe unter dickem, kaltem, grauem Eis. Sein Blut pulste schneller. Abenteuer! Die Verlockung, sein Leben zu riskieren, zu kämpfen! Der Nervenkitzel atemberaubenden Dramas! Nicht dass Kane seine Empfindungen als solche erkannt hätte. Und so war er ehrlich der Ansicht, seinen echten Gefühlen Ausdruck zu geben, als er sagte:
»Diese Dinge sind Taten einer bösen Macht. Die Herren der Finsternis haben einen Fluch auf das Land gelegt. Es braucht einen starken Mann, um gegen Satan und seine Macht zu kämpfen. Und deshalb werde ich gehen, ich, der ich ihm schon so manches Mal getrotzt habe.«
»Sir«, setzte der Junge an, verstummte aber, als er sah, dass Widerspruch zwecklos war. So fügte er nur hinzu: »Die Leichen der Opfer sind zerfetzt und tragen Spuren schwerer Schläge, Sir.«
Dann stand er mit einem bedauernden Seufzen an der Wegkreuzung und sah zu, wie die hoch gewachsene Gestalt auf der Straße zu den Mooren dahinschritt.
Die Sonne war am Untergehen, als Kane den Kamm des flachen Hügels überquerte, der an das Hochmoor grenzte. Riesengroß und blutrot sank sie hinter den mürrischen Horizont hinab; es sah aus, als würde sie das verwilderte Gras mit Feuer berühren; und so schien es eine Weile, als blickte der Beobachter über ein Meer von Blut.
Dann kamen vom Osten die dunklen Schatten herangeglitten, der Flammenschein im Westen verblasste, und Solomon Kane schritt wacker aus, hinein in die zunehmende Dunkelheit.
Man merkte der Straße an, dass sie wenig benutzt wurde, doch sie war deutlich markiert. Kane ging schnell, aber vorsichtig voran, Schwert und Pistolen griffbereit. Die Sterne verloschen, und die Nachtwinde flüsterten im Gras wie weinende Phantome. Der Mond stieg langsam am Himmel empor, schlank und hager wie ein Schädel inmitten der Sterne.
Plötzlich blieb Kane ruckartig stehen. Von irgendwo vor ihm war ein seltsames, unheimliches Echo zu vernehmen – oder etwas, das einem Echo glich. Wieder ertönte es, diesmal lauter. Kane setzte sich wieder in Bewegung. Täuschten ihn seine Sinne? Nein!
Weit draußen tönte ein geflüstertes schreckliches Lachen. Und wieder, diesmal näher. Kein menschliches Wesen lachte jemals so – in dem Lachen war keine Freude, nur Hass und Schrecken und die Seele vernichtendes Grauen. Kane blieb stehen. Er hatte keine Angst, aber einen Augenblick lang hätte er beinahe die Nerven verloren. Dann kam, wie um jenes schreckliche Lachen zu zerreißen, ein Schrei, der ohne Zweifel aus einer menschlichen Kehle drang. Kane setzte sich erneut in Bewegung, beschleunigte seine Schritte. Er verwünschte die trügerischen Lichter und die flackernden Schatten, die im Schein des aufgehenden Mondes wie Schleier über das Moor huschten und ein deutliches Sehen unmöglich machten. Das Gelächter hielt an, wurde lauter, ebenso die Schreie. Dann konnte man schwach das Trommeln verängstigter menschlicher Füße vernehmen. Kane fing jetzt zu rennen an.
Dort draußen auf dem Moor wurde ein Mensch zu Tode gejagt, und Gott allein wusste, was für ein Unhold ihn jagte. Das Geräusch der Füße verstummte plötzlich, und die Schreie wurden unerträglich laut, vermischten sich mit anderen scheußlichen Geräuschen, für die es keinen Namen gab. Offenbar hatten die Verfolger den Mann eingeholt, und Kane malte sich aus, während ihm Schauder über die Haut liefen, wie da irgendwelche gespenstischen Scheusale der Finsternis auf dem Rücken ihres Opfer kauerten und es in Stücke rissen.
Dann drangen die Geräusche eines schrecklichen, kurzen Kampfes deutlich durch die abgründige Stille des Moors, und die Schritte setzten wieder ein, jetzt strauchelnd und unregelmäßig. Die Schreie hielten an, aber jetzt durchmischt von keuchendem Gurgeln. Kane stand kalt der Schweiß auf der Stirn und auf dem Körper. Da türmten sich auf unerträgliche Art Schrecken über Schrecken.
Herrgott, nur einen Augenblick lang klares Licht! Danach zu schließen, wie deutlich die Laute zu ihm drangen, spielte sich dieses furchterregende Geschehen in ganz geringer Entfernung von ihm ab. Aber das höllische Zwielicht verschleierte alles in den dahintreibenden Schatten, sodass die Moore wie ein Dunst verschwommener Illusionen erschienen und verkrüppelte Bäume und Büsche wie Riesen wirkten.
Kane schrie, bemühte sich, schneller voranzukommen. Die Schreie des Unbekannten gingen in ein schrilles Kreischen über; wieder drangen Geräusche eines Handgemenges an sein Ohr, und dann kam aus dem Schatten
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