Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)
dort, auf der Couch mit den Drachenmustern, in jenem Haus des Schreckens, spürte ich zum ersten Mal, wie herrlich es war, Zuleikas schlanke Gestalt in meine Arme zu schmiegen. Ich spürte, wie ihre weiche Wange sich an meine Brust presste, ihr Duft stieg in meine Nase, ihr Haar vor meinen Augen. Meine Sinne taumelten, dann flüsterten meine Lippen, begraben in ihrem seidigen Haar:
»Ich werde zuerst Sir Haldred Frenton warnen – und dann werde ich John Gordon aufsuchen und ihm von dieser Lasterhöhle berichten. Ich werde die Polizei hierherführen, und du musst aufmerksam beobachten und jederzeit bereit sein, dich vor Ihm zu verstecken – bis wir die Tür aufbrechen und ihn töten oder fangen. Und dann wirst du frei sein.«
»Aber du!«, stieß sie erbleichend hervor. »Du brauchst doch das Elixier, und nur er …«
»Ich weiß, wie ich ihn überlisten kann, meine Kleine«, erwiderte ich.
Sie wurde bemitleidenswert blass und ihre weibliche Intuition zog sofort die richtigen Schlüsse.
»Du wirst dich töten!«
Und so sehr es mich schmerzte, ihre Gefühle zu sehen, spürte ich doch qualvolles Entzücken darüber, dass sie so für mich empfand. Ihr Arm schlang sich fester um meinen Hals.
»Tu es nicht, Steephen!«, flehte sie. »Es ist besser zu leben, selbst …«
»Nein, nicht um jeden Preis. Manchmal ist es besser, in Würde unterzugehen, solange man noch einen Rest von Männlichkeit in sich trägt.«
Sie starrte mich einen Augenblick lang entsetzt an, dann presste sie unvermittelt ihre roten Lippen auf meine, sprang auf und rannte hinaus. Was die Liebe doch für merkwürdige Wege geht. Wie zwei gestrandete Schiffe an den Ufern des Lebens waren wir unaufhaltsam aufeinander zugetrieben. Und obwohl wir keine Liebeserklärung ausgetauscht hatten, hörten wir doch deutlich die Stimme unserer Herzen. Durch Schmutz und Lumpen und ihre Sklavenkleidung spürten wir, was unsere Herzen füreinander empfanden. Wir liebten einander so natürlich und rein, wie es uns vom Anbeginn der Zeiten an bestimmt war.
Doch dieser Anfang ging einher mit einem Ende für mich – denn sobald ich meine Aufgabe erfüllt hatte und bevor ich erneut die Qualen meiner Sucht verspürte, würden Leben und Schönheit und Qual gemeinsam mit der unabwendbaren Endgültigkeit einer Revolverkugel ausgelöscht, die mein verfaulendes Gehirn zerschmetterte. Besser ein sauberer Tod als –
Die Tür öffnete sich erneut, und Yussef Ali trat ein.
»Die Stunde für den Aufbruch naht«, sagte er knapp. »Steh auf und folge mir.«
Ich hatte natürlich keine Ahnung, wie spät es war. Die Kammer, in der ich mich befand, besaß kein Fenster nach draußen – auch sonst waren mir keine aufgefallen. Die Räume wurden von Kerzen beleuchtet, die in Weihrauchfässern von der Decke hingen. Als ich aufstand, warf der schlanke, junge Maure einen finsteren Blick in meine Richtung.
»Das ist eine Sache zwischen dir und mir«, sagte er mit zischender Stimme. »Wir sind Diener desselben Meisters – aber das betrifft nur uns allein. Halte dich von Zuleika fern – der Meister hat sie mir in den Tagen des Imperiums versprochen.«
Meine Augen verengten sich zu Schlitzen, als ich in das düster dreinblickende, hübsche Gesicht des Orientalen sah. In mir wallte Hass auf, wie ich ihn selten erlebt hatte. Meine Finger öffneten und schlossen sich mechanisch, und der Maure, dem das nicht entgangen war, trat einen Schritt zurück und stemmte die Hände in seinen Gürtel.
»Nicht jetzt – jetzt gibt es für uns Arbeit – aber vielleicht später.« Und dann, urplötzlich, in einer kalten Aufwallung von Hass: »Schwein! Affenmensch! Wenn der Meister mit dir fertig ist, werde ich meinen Dolch in dein Herz stoßen!«
Ich lachte grimmig.
»Sorge dafür, dass das bald geschieht, du Wüstenschlange, sonst zerdrücke ich dein Rückgrat mit beiden Händen.«
Kapitel 10: Das dunkle Haus
Gegen von Menschenhand erschaff’ne Fesseln und Qualen
Allein – endlich – und ohne Hilfe lass ich and’re zahlen!
Talbot Mundy
Ich folgte Yussef Ali durch die gewundenen Gänge, dann die Treppe hinunter – Kathulos hielt sich nicht im Raum mit der Trennwand auf – weiter durch den Tunnel, die Räumlichkeiten des Tempels der Träume. Wir traten hinaus auf den Bürgersteig, wo die Straßenlaternen verträumt durch den Nebel und einen leichten Nieselregen strahlten. Auf der anderen Straßenseite stand ein Auto. Die Vorhänge hinter den Scheiben waren zugezogen.
»Der Wagen ist für
Weitere Kostenlose Bücher