Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)
Arm und trottete auf die Mauer zu, die das fremde Anwesen umgab. Ein paar Schritte, und die Bäume, hinter denen sich der Farbige mit dem Wagen versteckt hielt, verschwammen zu einer dunklen Masse. Ich glaubte nicht, dass er mich sehen konnte, aber sicherheitshalber ging ich nicht auf das eiserne Tor an der Vorderseite des Hauses zu, sondern auf die Mauer an der Seite, wo es kein Tor gab.
Im Haus war kein Licht zu sehen. Sir Haldred war Junggeselle, und mir schien sicher, dass die Dienstboten längst zu Bett gegangen waren. Ich kletterte ohne Mühe über die Mauer und schlich mich über den dunklen Rasen zu einer Pforte an der Seite des Gebäudes. Die grässliche »Verkleidung« trug ich unter dem Arm. Die Tür war versperrt, wie ich das erwartet hatte, und ich wollte niemanden wecken, bis ich sicher ins Innere gelangt war, wo der Klang von Stimmen nicht bis zu einem möglichen Verfolger dringen konnte. Ich ergriff den Türknopf mit beiden Händen und begann mit der unmenschlichen Kraft, die mir das Elixier verliehen hatte, daran zu drehen. Der Knopf drehte sich in meinen Händen, und das Schloss zerbrach unvermittelt mit einem Knall, der wie ein Kanonenschuss durch die Stille hallte. Im nächsten Augenblick war ich im Haus und hatte die Tür hinter mir geschlossen.
Ich machte einen einzigen Schritt durch die Dunkelheit in die Richtung, in der ich die Treppe vermutete, und blieb stehen, als ein Lichtstrahl mein Gesicht traf. Ich nahm das Glänzen einer Pistolenmündung wahr. Dahinter schwebte ein schmales, überschattetes Gesicht.
»Stehen bleiben und Hände hoch!«
Wie verlangt hob ich meine Hände und ließ das Bündel zu Boden gleiten. Ich hatte diese Stimme nur ein einziges Mal gehört, aber ich erkannte sie – wusste sofort, dass es sich bei dem Mann mit der Lampe und der Pistole um John Gordon handelte.
»Wie viele außer dir sind noch hier?«
Seine Stimme klang scharf und herrisch.
»Ich bin allein«, antwortete ich. »Bringen Sie mich in ein Zimmer, wo man das Licht nicht von draußen sehen kann, dann werde ich Ihnen einige Dinge erzählen, die Sie interessieren dürften.«
Er blieb stumm und bedeutete mir dann mit einer kurzen Handbewegung, das zu Boden gefallene Bündel wieder aufzuheben, trat dann zur Seite und signalisierte mir, ihm ins nächste Zimmer zu folgen. Dort führte er mich zu einer Treppe und an ihrem oberen Ende zu einer Tür, wo er schließlich das Licht anknipste.
Wir betraten einen Raum, dessen Vorhänge zugezogen waren. Gordon hatte mich die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen, und nun stand er da und hielt mich immer noch mit seinem Revolver in Schach. Er trug jetzt konventionelle Kleidung, und ich sah einen groß gewachsenen, schlanken, aber kräftigen Mann vor mir, größer als ich, aber nicht so kräftig gebaut. Er hatte stahlgraue Augen und ein Gesicht mit markanten, scharf geschnittenen Zügen. Etwas an dem Mann zog mich an, während ich einen Bluterguss an seinem Kinn betrachtete. Hier musste ihn bei unserem letzten Zusammentreffen meine Faust getroffen haben.
»Ich kann einfach nicht glauben«, meinte er scharf, »dass diese offensichtliche Ungeschicklichkeit und mangelnde Raffinesse keine Masche sind. Bestimmt haben Sie Ihre Gründe dafür, dass Sie mit mir in einem abgelegenen Raum sein wollen, aber ich versichere Ihnen, Sir Haldred ist trotzdem bestens beschützt. Stillhalten.«
Er drückte mir den Lauf seines Revolvers gegen die Brust und tastete mit der anderen Hand über meine Kleider, forschte nach verborgenen Waffen und schien ein wenig überrascht, als er keine fand.
»Trotzdem«, murmelte er wie im Selbstgespräch, »ein Mann, der mit bloßer Hand ein eisernes Schloss sprengen kann, braucht natürlich keine Waffen.«
»Sie vergeuden wertvolle Zeit«, sagte ich ungeduldig. »Man hat mich heute Nacht hierhergeschickt, um Sir Haldred Frenton zu töten …«
»Wer?« Die Frage kam wie ein Schuss.
»Der Mann, der sich manchmal als Leprakranker verkleidet.«
Er nickte, und seine Augen funkelten.
»Dann war mein Verdacht also richtig.«
»Ohne Zweifel. Hören Sie mir gut zu – wollen Sie, dass dieser Mann verhaftet oder getötet wird?«
Gordon lachte grimmig.
»Es hat wenig Sinn, jemandem, der an seiner Hand das Zeichen des Skorpions trägt, diese Frage zu beantworten.«
»Dann folgen Sie meinem Rat und Ihr Wunsch wird in Erfüllung gehen.«
Seine Augen verengten sich misstrauisch.
»Das war also der Grund, weshalb Sie mit so viel Getöse hier
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