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Tote gehen nicht

Tote gehen nicht

Titel: Tote gehen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
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Polizeiauto.«
    Sonja legte wieder den Finger auf den Mund. Die drei nickten ihr verschwörerisch zu. »Doch, es steht doch da draußen. Habt ihr es nicht gesehen? Eines mit ganz vielen geheimen Tricks. Die sieht man nicht sofort.«
    »Hast du auch einen Revolver?« Ehrfurcht stand Britt ins Gesicht geschrieben.
    Sonja schüttelte den Kopf und musste mitansehen, wie ihr guter Ruf sich in den Augen der Kinder so schnell auflöste wie ein Nebel am Morgen.
    »Ich habe eine Pistole«, erklärte sie und hoffte, dass die Kinder nicht ins technische Detail gehen wollten.
    »Können wir die mal sehen?«, fragte Andrea und verdrehte nervös ihre Finger, bis es knackte.
    »Nein«, sagte Sonja und log mit gutem Gefühl: »Ich habe sie nicht hier, sondern in meinem Büro. Und jetzt ist Schluss mit Gruseln. Auf Wiedersehen!«
    »Dürfen wir denn wiederkommen?«, fragte Andrea.
    »Wozu denn das?«, fragte Sonja irritiert.
    »Dürfen wir mit deinem Auto fahren?«, fragte Carlo hoffnungsvoll.
    »Mal sehen.«
    »Morgen?«
    »Am Samstag«, entschied Sonja.
    Als die Kinder über den Feldweg davonsprangen, als seien sie nur knapp einer großen Gefahr entkommen, dachte sie, dass es schön wäre, wenn sie wiederkämen. Sie hatte ein paar Minuten nicht ans Rauchen gedacht und nicht daran, wie schrecklich allein sie manchmal war. Und wenn sie die Kinder mal eine Runde mit ihrem neuen Dienstwagen herumkutschierte, würde ihr kein Zacken aus der Krone brechen. Sie könnte versuchen, für Samstag einen Kuchen in ihrer neuen Mikrowelle zu backen, eine Fertigmischung.
    Sie schloss das Fenster, schnitt sich eine neue Strohhalm-Zigarette und klappte ihr Laptop auf. Drei Mails waren seit gestern Abend eingegangen. Eine von der BzgA, eine von der Staatsanwaltschaft Bonn und eine vom Kriminalkommissariat Euskirchen.
    Zunächst ließ sie sich von der BzgA für den 14. rauchfreien Tag überschwänglich loben. Man attestierte ihr bereits jetzt eine höhere Lebenserwartung und sagte ihr ein Leben in Gesundheit und Selbstsicherheit voraus, mit einer Haut weich wie Samt und Zähnen strahlend wie Diamanten.
    Das hört man gerne, sagte sich Sonja, strich sich mit einer Hand über die Wangen und fuhr sich mit der Zunge über ihre Zähne.
    So gestärkt öffnete sie die zweite Mail, die, wie befürchtet, von Oberstaatsanwalt Bernd Wesseling aus Bonn stammte. Wesseling war nicht nur ein hoher Vorgesetzter, sondern auch ein ungebetener Ratgeber, der sie seit 1998, seit ihrer Versetzung von Köln nach Trier, nicht mehr aus den Augen gelassen hatte. Eine Zeitlang hatte Sonja den Verdacht gehabt, es sei etwas anderes als dienstherrliche Fürsorge, die ihn dazu bewog, den Kontakt zu ihr nicht zu verlieren. Einmal, als er unerwartet bei ihr im Forsthaus aufkreuzte, hatte eine Aussprache in der Luft gelegen. Durch höhere Gewalt war im letzten Augenblick etwas dazwischengekommen, dennoch wussten beide – und andere ahnten es – dass es keinen Oberstaatsanwalt der Welt gab, der sich auf diese Weise selbstlos um eine kleine Hauptkommissarin kümmerte. Andere schwiegen, und Wesseling und Sonja legten eine bemerkenswerte Ruppigkeit an den Tag, wenn sie telefonisch, virtuell oder ganz real miteinander zu tun hatten.
    In der Mail von heute beanstandete er, dass sie ihr Handy wohl nur zu Dekorationszwecken angeschafft habe. Seit geschlagenen sechs Tagen wünsche er sie zu sprechen, er sei bereits einmal vergebens in Wolfgarten gewesen. Sonja zweifelte an seinen Worten. Wenn sie nicht irrte, lag ihr Handy eingeschaltet oben auf dem Nachttisch, und wenn er hier gewesen war, hätte er einen Zettel und deutliche Reifenspuren hinterlassen.
    Sonja biss auf dem Strohhalm herum und spuckte ihn aus, fing ihn mit der Hand auf und warf ihn in den Mülleimer. Sie schnitt sich einen neuen zurecht und setzte sich wieder vor das Laptop.
    Sie klickte die Antwortfunktion an und erinnerte Wesseling schnörkellos daran, dass
    a) sich ihr Arbeitsplatz nicht im Forsthaus, sondern im Kriminalkommissariat Euskirchen befinde,
    b) sie dortselbst über einen Dienstanschluss im Festnetz verfüge, den reizende Kollegen in ihrer Abwesenheit selbstverständlich bedienten und
    c) sie nur eine halbe Stelle innehabe.
    Zu alldem habe er ihr, wie er hoffentlich noch wisse, selbst verholfen.
    Zufrieden betrachtete sie ihre ausgefeilten Worte und freute sich auf die Wirkung. Sie klickte die Sendefunktion an, als die   Miss-Marple -Melodie ihres Handys sich leise ihren Weg durchs Forsthaus bahnte.
    Zu leise,

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