Tote gehen nicht
zu sprechen zu kommen.
Sonja schnüffelte an ihrer Tasse. Mit zwei Pads roch die Angelegenheit wenigstens nach Kaffee. Sie nahm einen großen Schluck. Sie nahm einen zweiten und einen dritten und genoss die neidischen Blicke der beiden Herren, die auf dem Trockenen saßen.
Sonja stellte ihre Tasse ab. »Wo brennt’s denn?«
»Auf dem Eifelsteig«, sagte Hauptkommissar Roggenmeier anklagend, als sei sie schuld daran.
»O je, der Eifelsteig!«, rief Sonja aus.
»Sie sagen es!«, meinte Wesseling.
Gegen den Eifelsteig an sich hatten alle drei nichts einzuwenden. Der Oberstaatsanwalt war ein gefürchteter Wandervogel. HK Roggenmeier beteuerte oft und gerne, wie sehr er sich über jeden neuen Wanderweg freue, der zu den Wasserland-, Burgen-, Kloster- und Kräuterpfaden stieß und mit dem der Tourismusverband harmlose, unbescholtene Bürger in die Eifel locke, da der Ruf der Eifel in den letzten Jahren arg unter der ansteigenden Kriminalität – und sei es auch nur die auf dem Papier – gelitten habe.
HK Sonja Senger war der Eifelsteig schlichtweg gleichgültig. Wer meinte, ihn gehen zu müssen, sollte es tun. Sie nicht. Es fiel ihr schwer zu verstehen, wie sich erwachsene Menschen im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte freiwillig per pedes auf einen Weg machen konnten, den sie mit dem Auto bequem und sicher in einem Zehntel der Zeit bewältigen konnten.
Aber alle drei fürchteten den Eifelsteig auch.
Als Tatort.
Tiefer Wald, in dem man sich verirrte, undurchdringliches Dickicht, in dem man niemanden fand und selbst nicht gefunden wurde, dorniges Gebüsch, in dem man mit Haut und Haaren hängen blieb, reißende Bäche, in denen man ertrank, morsche Brücken, von denen man herabfiel, schmale Pfade, von denen man abkam, finstere Schluchten, in die man stürzte, nass glänzende Felsen, von denen man in den sicheren Tod rutschte.
Hinzu kamen Unerreichbarkeiten aufgrund der zahlreichen Funk- und Schlaglöcher, Streifenwagen und Krankenwagen und Hubschrauber hatten ihre liebe Not, schweigsame Bewohner in den seltenen Häusern und Höfen ergänzten das Bild. Nicht zuletzt waren da die unberechenbaren Wildschweine, von denen mehr und mehr im Unterholz lauerten. Von Wildkatzen, Füchsen und Luchsen ganz zu schweigen.
Kurz und knapp: Der Eifelsteig war unübersichtlich.
»Waldbrand?«, tippte Sonja und nahm den Faden wieder auf. Waldbrand wäre eine naheliegende Katastrophe und zunächst einmal ein Fall für die Feuerwehr.
Roggenmeier und Wesseling schüttelten bedauernd die Köpfe. Ihre Mienen waren finster und irgendwie endgültig.
»Tod eines Waldarbeiters?« Waldarbeiter war einer der gefährlichsten Berufe überhaupt, wenn man den Statistiken der Versicherungen glauben konnte.
»Schlimmer.«
»Wilderer?« Diese Leute waren mit dem Schießen meist schnell bei der Hand.
»Schlimmer«, drohte Roggenmeier.
»Schmuggel?« Die Grenzen waren nicht weit, auch wenn sie inzwischen grün waren. Drogen waren immer ein Thema.
»Noch schlimmer.«
»Menschenhandel!«, sagte Sonja schließlich mit gesenkter Stimme, das war keine Frage mehr, sondern eine Feststellung. Etwas Schlimmeres konnte sie sich nicht vorstellen.
Roggenmeier und Wesseling wechselten bedeutsame Blicke. Der Oberstaatsanwalt forderte schließlich den Hauptkommissar auf, der Qual ein Ende zu bereiten.
»Ein Ungeheuer!«, stieß Roggenmeier hervor und krallte sich an den Armlehnen seines Chefsessels fest, als wolle es ihn bereits daraus hervorzerren.
»Ein Ungeheuer.« Sonja nickte. »Aha.«
Wesseling bestätigte Roggenmeiers Aussage mit einem bedauernden Nicken.
Sonja ließ sich auf das Spiel ein. »Haben Sie es gesehen?«
»Nicht persönlich«, gab Roggenmeier zu. »Aber es stand groß und breit in der Zeitung. Haben Sie das nicht gelesen?«
»Nein. Ich lese keine Yellow Press.«
»Es stand im Kölner Stadt-Anzeiger und in der Aachener Zeitung«, protestierte er.
»Und was in der Zeitung steht, das glauben Sie?«, fragte Sonja.
»Nun ja, man kann nie wissen. Das Ungeheuer ist immerhin von mehreren Menschen gesehen worden.«
»Und diese Menschen haben Anzeige erstattet?«
»Noch nicht«, sagte Roggenmeier. »Sie haben nur die Presse informiert, aber ich will mir nicht nachsagen lassen, untätig gewesen zu sein.«
»Gut«, sagte Sonja resigniert. »Jagen wir also zur Abwechslung mal ein Ungeheuer. Treibt es sein Unwesen in unserem Bezirk?«
Wesseling, der unparteiische Wandervogel, fand, dass die Frage durchaus berechtigt sei, da der
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