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Tote im Salonwagen

Tote im Salonwagen

Titel: Tote im Salonwagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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und war Soldat.
    Grins wollener Mantel wärmte, ein gutes Material. Nobel hatte ihn von zu Hause mitgebracht, sein Vater war General a. D. Außerdem hatte Nadel Grin einen grauen Schnauzbart und ebensolche Koteletten angeklebt. Die Maske war vorzüglich.
    Stieglitz kam den Parkweg entlang, als Gymnasiast verkleidet. Er hatte zu überprüfen, ob draußen auf der Straße die Luft rein war. Im Vorübergehen nickte er kaum merklich und ließ sich zwei Bänke weiter nieder. Schaufelte eine Handvoll Schnee, stopfte ihn sich in den Mund. Die Aufregung.
    Nobel und Schwarz schippten den Schnee von der Allee. Jemelja stand, einen Schutzmann mimend, draußen vor dem Gitter. Marat und Biber, in Filzstiefeln und groben, langen Gewändern, waren gleich neben dem Eingang beim Swaikaspiel 1 . Posharski und Fandorin hatten eine günstige Zeit gewählt , um unter sich zu sein. Keine Spaziergänger, nicht einmal Passanten.
    »Einen Dreck kannst du haben! Keinen Heller!« brüllte Marat jetzt und sprang zur Seite. »Rutsch mir den Buckel runter!«
    Dann kam er pfeifend die Allee entlang. Die Hände lässig in den Taschen.
    Das war das Signal. Posharski im Anmarsch.
    »He-he, was soll das! Das zahl ich dir heim!« brüllte Biber seinerseits (ein großartiger Bursche, dieser Biber, Ex-Student, immer die Ruhe bewahrend) und kam Marat nachgesprungen.
    Dahinter tauchte der überfällige Herr Vizedirektor auf. Gardemantel, weiße Offiziersmütze, Säbel an der Seite. Kein schlechter Konspirateur.
    Posharski blieb am Parktor stehen. Breitbeinig in seinen blitzenden Stiefeln, die Hand malerisch am Leibriemen. Und rief: »Die Herren Nihilisten sind umstellt! Ich empfehle, sich zu ergeben!«
    Dann sprang er blitzschnell wieder nach draußen, verschwand hinter den verschneiten Büschen.
    Grins Blick ging zu Fandorin. Der Staatsrat war aus seiner Versonnenheit erwacht und reagierte blitzartig: Stieglitz beim Kragen zu packen und zu sich heranzuzerren war eins. Worauf er sich mit ihm, dies war nun seltsam, in einen Schneehaufen warf, der rechts von der Bank aufgetürmt lag.
    Im selben Moment krachte, donnerte und knallte es von allen Seiten. Es war, als risse jemand diese ganze friedliche Winterwelt mit einem Ruck mitten entzwei.
    Grin sah Marat die Hände über den Kopf werfen und wie von einem kräftigen Stoß in den Rücken nach vorne taumeln. Sah Biber wild aus der Hüfte um sich schießen.
    Er riß den Colt aus der Tasche und preschte nach vorn, um Stieglitz beizuspringen. Eine Kugel riß ihm die Mütze vom Kopf, streifte seinen Schädel. Grin taumelte, konnte sich nicht auf den Beinen halten und plumpste in einen zweiten Schneehaufen, der sich links von der Nachbarbank befand.
    Und nun geschah etwas Unglaubliches.
    Der Schneehaufen war auf einmal viel tiefer, als es den Anschein gehabt hatte. Etwas knackte, gab nach, für einen Moment wurde es finster um ihn, dann schlug er hart auf. Eine weiße Lawine begrub ihn unter sich, Grin fuhrwerkte wild in ihr herum, ohne zu begreifen, wie ihm geschah.
    Als er mit Mühe wieder auf den Beinen stand, sah er sich, brusttief im Schnee, in einer Grube stehen. Sah den Himmel, die Wolken, Äste und sonst nichts. Die Schießerei wurde immer wilder, einzelne Schüsse waren kaum noch auszumachen, ein einziges Hallen und Dröhnen.
    Oben wurde gekämpft, und er, der stählerne Mann, hockte in der Klemme!
    Grin versuchte zu hüpfen. Kam mit den Fingerspitzen gerade bis an den Rand der Grube, doch es gab nichts, woran er sich anklammern konnte. Zu alledem mußte er feststellen, daß ihm der Revolver beim Fallen entglitten war. Ihn aus den Schneemassen zu klauben konnte dauern, wenn nicht hoffnungslos sein.
    Es war egal. Er mußte hier raus.
    Er begann wie rasend den Schnee um sich herum festzustampfen: mit Händen und Füßen, gar mit dem Hintern. Bis die Schießerei plötzlich aufhörte.
    Von der Stille bekam es Grin zum ersten Mal in all den Jahren mit der Angst. Nie hätte er gedacht, dieses klamme Gefühl, diesen Ring um die Brust noch einmal spüren zu müssen.
    Konnte das das Ende sein? So schnell?
    Er stieg auf den festgetrampelten Hügel, schob den Kopf über den Grubenrand und duckte sich sogleich wieder. In dichter Kette bewegten sich Männer in Zivil, mit rauchenden Karabinern und Revolvern, auf den Parkzaun zu.
    Und er hatte nicht einmal eine Waffe, um sich zu erschießen. Saß da wie ein Wolf in der Falle und durfte darauf warten, daß sie ihn am Kragen hervorzerrten.
    Er ging in die Hocke und begann

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