Tote im Salonwagen
Ihnen sozusagen die Hauptrolle zukommt. Unserer doppelzüngigen Diana verdanken wir die Information, wo die Kampfgruppe sich derzeit versteckt hält. Nämlich in Dianas eigener Wohnung, die sie aber schon lange nicht mehr benutzt. Unter dem Dach unserer Firma zu wohnen, findet sie wohl spannender.«
»Was denn, Sie wissen, wo die KG sich versteckt hält?« Fandorin erstarrte, den Arm halb im Ärmel eines blauen Gehrocks, der wie für ihn geschneidert schien. »Und Sie haben sie noch nicht verhaftet?«
»Das fehlte noch! Ich bin doch nicht so blöd wie Burljajew, Friede seiner Asche.« Der Fürst schüttelte tadelnd den Kopf. »Die sind zu siebent dort und bis an die Zähne bewaffnet. Die veranstalten ein Feuerwerk, daß kein Stein auf dem anderen bleibt, ein Borodino wie 1812. Nein, mein lieber Fandorin. Wir schnappen sie uns auf die pfiffige Tour,an einem Ort, der uns gefällt, und zu einer Zeit, die uns paßt.«
Fandorin war nun fertig angekleidet, setzte sich dem rührigen Vizedirektor gegenüber auf die Bettkante und war ganz Ohr.
»Vor drei Stunden ungefähr wurde den Partisanen in ihrem Nest das nächste Brieflein von T. G. zugespielt. Folgenden Inhalts:
Pech! Beide entwischt. Aber es gibt eine Chance, die Schlappe wettzumachen. Morgen treffen sich Posharski und Fandorin noch einmal: Brjussow-Park, neun Uhr morgens.
Nach unserem Meisterstreich im Badehaus wird Herr Grin seine ganze Heeresstärke gegen uns auffahren, darauf kann man sich verlassen. Kennen Sie den Brjussow-Park?«
»Ja. Der ideale Ort f-f-… für einen Hinterhalt«, sagte der Staatsrat anerkennend. »Morgens ist dort nie Betrieb, keine Unbeteiligten, die in die Quere kommen könnten. Von drei Seiten zugebaut. Die Schützen kann man auf den Dächern postieren.«
»Und zwischen den Zinnen des Simon-Klosters. Der Archimandrit hat schon seinen Segen gegeben, um der gottgefälligen Sache willen. Ich habe einen Einsatztrupp aus Petersburg angefordert, er wird im Morgengrauen eintreffen. Das ist der Stolz des Departements, wahre Mamelucken, das Beste vom Besten. Keiner der Ganoven wird uns entwischen, wir vernichten sie bis auf den letzten Mann.«
»Soll das heißen, wir v-versuchen gar nicht erst, sie zu verhaften?« fragte Fandorin mit gefurchter Stirn.
»Soll das ein Scherz sein? Wir müssen eiskalt zuschlagen, eine Salve neben die andere setzen. Wir schießen sie ab wie tollwütige Hunde. Alles andere brächte unsere Leute in Gefahr.«
»Unsere Leute versehen einen Dienst, der gewisse Gefahren einschließt«, entgegnete der Staatsrat störrisch. »Ohne vorherige Aufforderung, die Waffen niederzulegen, wäre eine solche Operation g-g-… gesetzwidrig.«
»Ach, gehen Sie! Die Aufforderung wird es schon geben, keine Sorge. Aber das größte Risiko tragen sowieso Sie.« Posharski grinste hämisch, bevor er in seinen Erläuterungen fortfuhr. »In meiner Aufstellung kommt Ihnen, lieber Fandorin, die ehrenvolle Rolle eines Lockvogels zu. Sie werden dort gemütlich auf einer Bank sitzen, so als warteten Sie auf mich. Damit die KG geschlichen kommt und anbeißt. Solange ich nicht auftauche, werden die Ihnen kein Haar krümmen. Weil, in aller Unbescheidenheit: Ein Polizeivizedirektor ist denen allemal fettere Beute als ein untergeordneter Beamter, selbst wenn es ein Sonderbeauftragter ist. Erst nachdem die Falle zugeschnappt ist, werde ich mich vor ihnen zeigen. Und sie auffordern, sich zu ergeben, wie das Gesetz es vorschreibt. Was sie natürlich nicht tun werden, aber mein Anruf wird das Signal für Sie sein, in Deckung zu gehen.«
»In w-was für eine Deckung denn?« fragte Fandorin, und seine blauen Augen verengten sich zu einem Spalt. Posharskis alles in allem vorzüglicher Plan schien nur diesen einen Schönheitsfehler zu haben: daß für den untergeordneten Beamten ein einziger Weg aus dem Brjussow-Park herauszuführen schien – gen Himmel.
»Ja, dachten Sie, ich hätte vor, Sie im Regen stehenzulassen?« fragte Posharski gekränkt. »Es ist alles bis ins kleinste vorbereitet. Ihre Bank ist die dritte vom Eingang her. Rechts daneben befindet sich ein Schneehaufen. Darunter ist eine Grube. Genauer gesagt, der Anfang von einem Graben, der sich bis auf die Straße hinauszieht. Dort sollen demnächstKanalisationsrohre verlegt werden. Ich habe den Graben mit Planken abdecken lassen, darüber liegt eine Schicht Schnee, so daß man ihn nicht sieht. Unter besagtem Schneehaufen, gleich neben der Bank, ist der Graben nur von einer dünnen
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