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Tote im Salonwagen

Tote im Salonwagen

Titel: Tote im Salonwagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Blutrünstiges ließ sich entdecken an dem Mann, der da auf der Nachbarbank saß. Ein strenges, wie gemeißeltes Gesicht, das man sich schwerlich lächelnd vorstellen konnte. Und ganz jung noch, trotz der plumpen Maskerade mit Graubart und Koteletten.
    Dem Anschein nach war Fandorin mit den Terroristen im Brjussow-Park allein. Posharski hatte für seine Aktion den idealen Ort gewählt. Draußen hinter dem Zaun spazierte ein Schutzmann auf und ab, der offensichtlich nicht echt war. Zwei junge Hausknechte mit sonderbar langen Bärten und gar zu intelligenten Gesichtern schoben ungeschickt ihre Schippen durch den Schnee. Zwei andere Burschen etwas weiter hinten spielten Swaika, schienen aber nicht recht bei der Sache zu sein, hatten ihre Augen immerzu anderswo.
    Neun Uhr war vorbei, doch Posharski ließ sich Zeit. Wahrscheinlich wartete er darauf, daß der Filius der Kampfgruppe zurückkehrte.
    Da war er schon. Kam pfeifend die Allee herauf, setzte sich auf die Nachbarbank, direkt neben den doppelbödigen Schneehaufen, in Armeslänge Abstand zu Fandorin. Gierig stopfte er sich eine Handvoll Schnee in den Mund. Ach je, dachte Fandorin. Ein Kind noch, und schon aufs Töten abgerichtet. Anders als beim falschen General wirkte die Verkleidungals Gymnasiast sehr überzeugend. Bestimmt war das Stieglitz.
    Dann tauchte Posharski auf, die Nagelwerfer brachen ihr Spiel ab und kamen in die Mitte des Parks gelaufen. Fandorin rüstete sich innerlich.
    Der Fürst brüllte seinen Spruch, bot den Nihilisten an, sich zu ergeben. Fandorin schnellte von der Bank, packte den »Gymnasiasten« flugs beim Mantelkragen und zerrte ihn hinter sich her in den rettenden Schneehaufen. Der Knabe war zum Sterben zu jung.
    Der Schneehaufen sorgte für eine weiche Landung, gab jedoch nur wenig, kaum mehr als einen halben Meter, nach. Stieglitz fiel auf Fandorin und zappelte, die kräftigen Arme des Staatsrats hielten ihn fest.
    Nun krachten von allen Seiten Schüsse. Fandorin wußte, daß die Schützen des Einsatztrupps, verstärkt durch Mylnikows Agenten, auf den Klostermauern und den Dächern im Umkreis saßen und nicht aufhören würden zu schießen, solange sich im Park noch irgend etwas bewegte.
    Wo war die verhießene Grube?
    Fandorins Finger der einen Hand suchten am Körper des jungen Terroristen einen Nervendruckpunkt, damit er aufhörte zu strampeln, während die andere Faust ein um das andere Mal den Boden abklopfte. Wäre dort unter dem Schnee wirklich Sperrholz gewesen, es hätte federn müssen; hier war alles hart wie Stein.
    Der »Gymnasiast« hörte auf sich zu sträuben, zuckte nur hin und wieder wie von einem elektrischen Schlag, wofür es eigentlich keinen Grund gab: Fandorin hatte nur so stark zugedrückt, daß für ungefähr zehn Minuten Ruhe war.
    Ein paarmal schlugen Kugeln gräßlich pfeifend dicht nebenihnen in den Schnee. Immer wütender hämmerte Fandorin auf das unnachgiebige Sperrholz ein, versuchte gar hochzuspringen, soweit das im Liegen und unter der Last möglich war. Doch die Grube wollte sich nicht auftun. Entweder war das Holz über Nacht völlig vereist, oder das Problem lag woanders.
    Unterdessen wurden die Schüsse seltener, hörten bald ganz auf.
    Auf der Allee erschollen Stimmen.
    »Der ist hin. Das blanke Sieb.«
    »Der hier auch. Mitten in die Visage … Den erkennt keiner mehr wieder.«
    Den Schneehaufen zu verlassen wäre unvernünftig gewesen – sofort wäre ein Dutzend Kugeln auf sie eingeprasselt. Also brüllte Fandorin im Liegen.
    »Hier ist Fandorin!« brüllte er. »Nicht schießen, meine Herren!«
    Erst dann erhob er sich, den friedlich stillhaltenden Stieglitz von sich abschüttelnd, und sah vermutlich wie ein Schneemann aus. Der Park war voller Zivilbeamter. Bestimmt nicht weniger als fünfzig. Draußen vor dem Park sah man noch mehr.
    »Alles besenrein, Euer Hochgeboren«, sagte einer aus dem Einsatztrupp, mit eisgrauem Schnauzbart im jungen Gesicht. »Keiner, den man noch verhaften müßte.«
    »Doch! Hier lebt einer«, erwiderte Fandorin, während er sich den Schnee abklopfte. »N-n-… Nehmt ihn und legt ihn dort auf die Bank.«
    Gehorsam hoben die Agenten den Gymnasiasten an, legten ihn jedoch sogleich zurück.
    »Von wegen!« brummelte der Schnauzbärtige. »Der hat doch mindestens zehn Löcher.«
    Und tatsächlich: Das Gesicht des Jungen, wiewohl die Röte aus ihm noch nicht gewichen war, ließ keinen Zweifel zu. In der Stirn, etwas unter dem Haaransatz, klaffte ein Loch, auch war der

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