Tote im Salonwagen
mildem Ton. »Spar dir deine gescheiten Gedanken, du Schaf. Tu, wie dir befohlen … Und viertens: keinen der Delinquenten aus dem Auge lassen. Vor euch Nichtsnutzen darf das werte Dämchen in Seelenruhe ihre Kugelspritze aus dem Ridikül holen, und keiner merkt es. Ich fasse zusammen.« Mylnikow legte die Arme hinter den Rücken,wiegte sich auf den Absätzen. Seine Mannschaft erwartete mit angehaltenem Atem den Urteilsspruch. »Kopfprämien bekommen nur Schirjajew und Shulko. Fünfzehn Rubel pro Nase für die Inhaftnahme eines gefährlichen Terroristen, aus meiner Kasse. Plus Erwähnung im Tagesbefehl. Und von dir, Guskow, kriege ich zehn Rubel Bußgeld. Außerdem zeitweilige Degradierung vom Oberagenten zum gemeinen Agenten, für einen Monat. Ist doch nur gerecht, findest du nicht?«
»Zu Befehl, Euer Hochwohlgeboren«, sprach der arme Sünder und ließ den Kopf hängen. »Nur nicht aus dem operativen Einsatz entfernen, wenn ich bitten darf. Ich mach die Schande wett, das schwöre ich Euch, ich mach sie wett.«
»Gut, ich will es glauben.«
Mylnikow wandte sich nach dem Staatsrat um und tat, als bemerkte er ihn erst jetzt.
»Fein, daß Sie sich herbemüht haben, Herr Fandorin. Oberstleutnant Burljajew und Titularrat Subzow fühlen dem Früchtchen schon eine geschlagene Stunde auf den Zahn, leider ohne Erfolg.«
»Er schweigt?« fragte Fandorin, während er hinter Mylnikow die geschwungene Treppe in den ersten Stock emporstieg.
»Ganz im Gegenteil. Er kommt ihnen frech. Ich konnte es kaum mit anhören. Man wird einfach nicht schlau aus ihm. Und dem Oberstleutnant flattern immer noch die Nerven wegen vorhin. Außerdem ist er sauer, daß nicht er diesen kapitalen Fang gemacht hat, sondern wir«, raunte Mylnikow, sich halb zurückdrehend, in verschwörerischem Ton.
Das Verhör fand im Kabinett des obersten Vorgesetzten statt. Der Fandorin bereits bekannte Spaßvogel saß in derMitte des großen Raumes auf einem Stuhl. Dieser war von besonderer Bauart, massiv, mit Riemen an den vorderen Beinen und den Armstützen. Arme und Beine des Gefangenen waren straff angeschnallt, er konnte nur den Kopf bewegen. Ihm zur einen Seite stand der Chef der Behörde, zur anderen ein junger Herr von vielleicht siebenundzwanzig Jahren, hager, mit Bürstenbärtchen, der Fandorin auf den ersten Blick sympathisch vorkam.
Burljajew nickte dem Sonderbeauftragten mürrisch zu.
»Ein ausgemachter Gauner«, klagte er. »Eine Stunde plage ich mich mit ihm schon, und ohne Ergebnis. Er nennt nicht mal seinen Namen.«
»Was könnte dir mein Name sein? Er stirbt dahin wie dumpfe Wellen …«, fing der Luftikus pathetisch zu deklamieren an.
Der Oberstleutnant überhörte die vorlaute Bemerkung geflissentlich.
»Subzow, Sergej Witaljewitsch«, stellte er den Offizier an seiner Seite vor. »Ich habe Ihnen von ihm erzählt.«
Der schlanke junge Mann verbeugte sich respektvoll und schenkte Fandorin ein liebenswürdiges Lächeln.
»Ich schätze mich glücklich, Ihnen vorgestellt zu werden, Herr Fandorin. Und erst recht, an Ihrer Seite arbeiten zu dürfen.«
»Oho!« horchte der Arrestant auf und schien erfreut. »Fandorin! Ah ja, ich sehe schon, die grauen Schläfen. Daß ich nicht früher darauf gekommen bin! Aber man hat ja so viel anderes im Kopf. Was glotzt ihr denn noch, Herrschaften, nehmt ihn fest! Er war es doch, der Chrapow gekillt hat, den alten Esel.«
Und er lachte meckernd, anscheinend sehr zufrieden mit seinem Scherz.
»Erlauben Sie fortzufahren?« wandte Subzow sich an seine beiden Vorgesetzten und alsdann dem Delinquenten zu. »Wir wissen, daß Sie der Kampfgruppe angehören und am Attentat auf General Chrapow beteiligt waren. Soeben haben Sie indirekt zugegeben, über äußere Merkmale des Herrn Staatsrats informiert gewesen zu sein. Wir wissen ferner, daß Ihre Spießgesellen sich derzeit in Moskau aufhalten. Und sollte es der Anklage nicht gelingen, Ihnen die Beteiligung am Attentat nachzuweisen, so droht Ihnen gleichwohl die Höchststrafe. Sie haben einen Mord begangen und der Staatsgewalt bewaffneten Widerstand geleistet. Das genügte vollauf, Sie aufs Schafott zu bringen.«
Burljajew konnte nicht länger an sich halten.
»Bist du dir im klaren, Schurke, daß du geliefert bist? Am Strang zu baumeln ist ein grausiger Tod, ha! Ich habe oft genug zugesehen. Erst röchelt der Kandidat und schlägt um sich. Das kann eine Viertelstunde oder länger so gehen, je nachdem, wie die Schlinge geknüpft ist. Am Ende hängt ihm die
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