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Tote im Salonwagen

Tote im Salonwagen

Titel: Tote im Salonwagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. »Fragen Sie mich, was Sie wollen.«
    »Die Dienste geheimer Informanten pflege ich nicht in Anspruch zu nehmen«, versetzte Fandorin trocken. »Ich finde, es hat etwas Widerwärtiges, die eigenen F-f-… Freunde auszuspionieren. Was Sie hier treiben, nennt sich Anstiftung. Sie knüpfen Bekanntschaften unter der romantisch gestimmten Jugend, ermuntern sie zu regierungsfeindlichen Reden und hintertragen anschließend der Geheimpolizei, was Sie zuvor provoziert haben. Wie können Sie als Adliger das mit Ihrem Gewissen v-v-… vereinbaren? Sie sollten sich schämen.«
    Larionow ließ ein ungutes Lachen hören und zog mit zitternden Fingern eine Papirossa hervor.
    »Mit meinem Gewissen? Über dieses Thema sollten Sie besser mit Subzow reden. Was die Anstiftung angeht, ebenso. Obwohl er dieses Wort gar nicht mag. Er spricht von Desinfektion.Potentiell gefährliche Subjekte sollen schon im frühestmöglichen Stadium markiert und eliminiert werden. Zum Nutzen der Gesellschaft und zu ihrem eigenen. Denn wenn sie sich nicht hier bei mir einfinden, wo Subzow sie unter Kontrolle hat, dann irgendwo anders. Und man weiß nie, auf welche dummen Ideen sie dort kommen. Hier haben wir ein Auge auf sie alle. Und sobald es einem von ihnen einfällt, seinen hohlen Worten Taten folgen zu lassen, können wir ihn ruck-zuck aus dem Verkehr ziehen. Dann hat der liebe Staat seine Ruh, Herr Subzow kriegt seine Beförderung, und Larionow, der Judas, schlaflose Nächte …«
    Der Ingenieur legte die Hände vor das Gesicht und verstummte. Dem Zucken seiner Schultern nach zu urteilen, schien er gegen einen Heulkrampf anzukämpfen.
    Fandorin nahm seufzend ihm gegenüber Platz.
    »Wie konnten Sie nur. Das ist doch ekelhaft.«
    »Und ob das ekelhaft ist!« antwortete Larionow durch die angepreßten Handflächen hindurch mit dumpfer Stimme. »Ich hab doch als Student genauso von sozialer Gerechtigkeit geträumt. Flugblätter in der Universität geklebt. Dabei bin ich ja erwischt worden.«
    Da er nun die Hände herunternahm, sah man es feucht in seinen Augen glänzen. Er rieb ein Streichholz an, machte einen ersten hektischen Zug.
    »Subzow ist ein verständiger Mann. ›Herr Larionow, Sie haben doch eine alte und kranke Mutter zu Hause!‹ hat er gesagt. ›Wenn Sie von der Universität fliegen – und das ist das mindeste, was Sie erwartet – das überlebt sie nicht. Ganz zu schweigen von Gefängnis und Verbannung, Gott behüte, damit bringen Sie sie unter Garantie ins Grab. Lohnt das denn, frage ich Sie? Um einer Chimäre willen?‹ Und dannfing er von seiner Desinfektion an zu reden, noch viel blumiger und schöner als ich eben. ›Ich mache keinen Denunzianten aus Ihnen‹, spricht er, ›sondern einen Hüter unserer Kinder. So unvernünftig und von Herzen rein, wie sie nun einmal sind, rennen sie über die blühende Wiese und ahnen nicht, daß hinter ihr ein Abgrund gähnt. Ich möchte Sie bitten, vor diesem Abgrund Aufstellung zu nehmen, damit wir gemeinsam die Kinder vor dem Sturz bewahren.‹ Subzow ist ein Redner vor dem Herrn, und vor allem glaubt er selber, was er erzählt. Und ich hab’s ihm eben auch geglaubt.« Der Ingenieur lächelte bitter. »Beziehungsweise, um die Wahrheit zu sagen: Ich hab mich zu diesem Glauben durchgerungen. Denn meine Mutter hätte es tatsächlich nicht überlebt … Gut, ich habe also die Universität abgeschlossen, Herr Subzow hat mir eine gute Anstellung verschafft. Nur hat sich leider gezeigt, daß ich nicht zum Hüter bestellt war, sondern zum ganz gewöhnlichen sogenannten Mitarbeiter. Halb schwanger zu werden ist nun mal unmöglich. Ich kriege sogar ein Entgelt dafür, fünfundfünfzig Rubel. Zuzüglich fünfzig Rubel Spesen, abrechnungspflichtig.« Sein Lächeln wurde breiter, entgleiste zu einem höhnischen Zähnefletschen. »Im Grunde haben alle etwas davon. Nur daß ich nachts nicht mehr schlafen kann.« Ein Schauer durchfuhr ihn. »Kaum bin ich für einen Moment entspannt, zucke ich schon wieder zusammen, weil ich es klopfen höre. Jetzt kommen sie, denke ich, und holen mich. Die einen oder die anderen. Und so geht es die ganze Nacht. Poch-poch. Poch-poch.«
    Im selben Moment ertönte draußen der Türklopfer. Larionow zuckte zusammen und lachte nervös.
    »Da hat sich einer verspätet. Und den ganzen Spaß verpaßt. Ich würde Sie bitten, Herr Fandorin, solange nach nebenanzu gehen. Es ist nicht nötig, daß man Sie hier sieht. Wie sollte ich denen das

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