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Tote im Salonwagen

Tote im Salonwagen

Titel: Tote im Salonwagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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erklären? Ich schicke ihn gleich wieder weg.«
    Fandorin begab sich ins Nachbarzimmer. Er bemühte sich nicht zu horchen, doch die Stimme des Ankömmlings war gar zu laut und helltönend.
    »… Und Sie wissen nichts davon, daß wir bei Ihnen unterkommen sollen? Merkwürdig.«
    »Keiner hat mir was davon gesagt!« erwiderte Larionow, und lauter als nötig fragte er: »Sie gehören tatsächlich zur Kampfgruppe? Dann haben Sie hier nichts zu suchen! Nach Ihnen wird überall gefahndet. Ich hatte eben erst die Polizei im Haus.«
    Alle Diskretion vergessend, trat Fandorin dicht an die Tür, zog sie einen Spalt auf.
    Dem Ingenieur gegenüber stand ein junger Mann in Halbpelz und karierter Tweedmütze, unter deren Schild eine lange blonde Strähne hervorschaute. Hände in den Taschen, blitzende Fünkchen des Übermuts in den zusammengekniffenen Augen.
    »Sind Sie allein?« fragte der späte Gast.
    »Bis auf die Köchin, aber die schläft in der Kammer. Trotzdem, Sie dürfen hier nicht bleiben.«
    »Die Polizei war also hier und hat ein bißchen geschnüffelt und ist wieder weg?« lachte der Blonde. »Es geschehen noch Wunder!« Und er fing an zu rezitieren:
     
    »Auf dem Bahnhof von Kleinbatze
    Tanzt die Katze mit dem Spatze.
    Und den Spatz tut das nicht kratze,
    Bis der Katze juckt die Tatze.«
     
    Inzwischen stand der launige junge Mann mit dem Rücken zum Staatsrat, weswegen Larionow sich mit dem Gesicht zur Tür drehen mußte.
    Jetzt machte der interessante Gast eine für Fandorin unsichtbare Handbewegung – und der Ingenieur prallte ächzend zurück.
    »Rutscht dir das Herz in die Hose, Iskarioth?« fragte der Gast in unvermindert heiterem Ton.
    Fandorin, Böses ahnend, riß die Tür auf, da knallte auch schon der Schuß.
    Larionow heulte auf und klappte zusammen, während der Schütze auf das Poltern hinter ihm herumfuhr und den Arm mit dem kompakten schwarzen Bulldog hochriß. Fandorin, unter dem Schuß hinwegtauchend, hechtete nach den Füßen des jungen Mannes, doch der sprang geschwinde zurück, prallte mit dem Rücken gegen den Türpfosten und stürzte nach draußen in den Korridor.
    Fandorin kauerte sich über den Verwundeten und sah, daß es schlecht um ihn stand: Sein Gesicht lief schon blau an.
    »Die Beine gehorchen nicht mehr«, flüsterte Larionow und blickte Fandorin erschrocken in die Augen. »Es tut nicht weh … Ich bin bloß müde …«
    »Ich muß ihn fangen«, sprach Fandorin hastig. »Geht ganz schnell. Dann hole ich den Arzt.«
    Er raste hinaus auf die Straße, blickte nach links, dort war keiner, nach rechts – da! ein Schatten, in Richtung Kudrinskaja davonjagend.
    Zwei Gedanken waren es, die Fandorin im Laufen beschäftigten. Der erste war, daß Larionow wohl kaum einen Arzt benötigte. Die Symptome sprachen dafür, daß das Rückgrat getroffen war. Bald, sehr bald würde der arme Ingenieurden Schlaf all seiner durchwachten Nächte nachholen dürfen. Der zweite Gedanke war eher praktischer Natur. Den Mörder einzuholen schien nicht schwer – doch was dann? Da doch der andere eine Waffe hatte – im Unterschied zu ihm! Zu dumm, daß er an diesem Tag mit keinerlei riskanten Unternehmungen gerechnet und darum seinen Herstal-Bayard – sieben Schuß, neueste Ausführung, sehr zuverlässig – zu Hause gelassen hatte.
    Fandorin lief schnell, und die Entfernung zu dem Schatten schmolz zusehends. Doch die Freude darüber währte nur kurz. An der Ecke Borissoglebski blickte der Mörder sich um und jagte eine züngelnde Flamme auf seinen Verfolger, die Fandorin als heißer Wind über die Wange fuhr.
    Urplötzlich aber lösten sich aus der Wand des nächststehenden Hauses noch zwei flinke Schatten und verschmolzen mit dem einen zu einem wirren, zappelnden Knäuel.
    »Hör auf zu zicken, du Laus!« brüllte eine wütende Stimme.
    Als Fandorin heran war, hatte der Ringkampf schon sein Ende gefunden.
    Der fröhliche Bursche lag bäuchlings, die Arme zum Rücken gedreht, auf der Straße, röchelte und fluchte. Auf ihm saß ein kräftiger Mann und versuchte unter Ächzen, die Arme des Delinquenten noch mehr zu zwirbeln. Ein anderer hielt den Gestürzten bei den Haaren gepackt und riß ihm den Kopf nach oben.
    Bei näherem Hinsehen erkannte Fandorin in den unverhofften Helfern zwei der Agenten von vorhin.
    »Da sehen Sie, Herr Staatsrat, daß auch die Geheimpolizei sich nützlich machen kann!« erscholl eine gutmütige Stimme von irgendwoher.
    Fandorin sah sich einem Hausflur gegenüber, und darin stand

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