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Tote im Salonwagen

Tote im Salonwagen

Titel: Tote im Salonwagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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kein anderer als Jewstrati Mylnikow persönlich.
    »Was suchen Sie denn noch hier?« fragte der Staatsrat und gab sich gleich selbst die Antwort: »Sie haben mir nachspioniert.«
    »Ihnen nun nicht gerade, Hochgeboren, Sie als Person sind über alle Verdächtigungen erhaben. Der Fortgang der Ereignisse hat mich interessiert.« Der Agentenführer trat aus dem Dunkel des Hausflurs auf das beleuchtete Trottoir. »Besonders neugierig war ich, ob Sie mit der zornigen Jungfer noch irgendwas anstellen würden. Ich vermute ja, Sie wollten Sie mit Zuckerbrot ködern, statt die Peitsche zu schwingen. Und das ist die goldrichtige Methode. Solche verzweifelten Subjekte werden, wenn man sie hart anfaßt und Druck ausübt, nur noch wilder. Denen muß man das Fell kraulen, immer schön kraulen, und wenn sie einem den Bauch hinhalten – zack, hat man sie!«
    Mylnikow kicherte in sich hinein und tat eine begütigende Geste, als wie: Mir brauchen Sie nichts erzählen, ich habe so meine Erfahrungen.
    »Und wie ich sah, das Fräulein geht alleine weg, da wollte ich ihr erst meine Pappenheimer hinterherschicken, aber dann dachte ich mir: Momentchen. Hochgeboren sind ein gestandener Mann mit Instinkt. Wenn er noch dableibt, hat das seine Gründe. Und siehe da – nach kurzer Zeit kommt der hier anspaziert.« Mylnikow deutete mit dem Kopf auf den Festgenommenen zu seinen Füßen, der vor Schmerz wimmerte und lästerlich fluchte. »Ich hab mich also, scheint’s, nicht verrechnet. Wer ist er?«
    »Vermutlich ein Mitglied der Kampfgruppe«, verriet Fandorin, weil er sich dem Kollegienassessor gegenüber (keinsympathischer Mann, doch anscheinend nicht dumm, nein, gar nicht so dumm!) in der Schuld fühlte.
    Erstaunt stieß der Agentenführer einen leisen Pfiff aus, klopfte sich auf den Schenkel.
    »Da hat Mylnikow also wieder mal aufs rechte Pferd gesetzt. Vergessen Sie nur nicht, wenn Sie Bericht erstatten, Ihren gütigen Diener zu erwähnen. He, Jungs, winkt einen Schlitten ran! Und die Hände fein pfleglich einschließen, die braucht er noch, damit er uns ein reumütiges Geständnis schreibt.«
    Ein Agent lief nach dem Schlitten, der andere ließ über dem Liegenden die Handschellen klicken.
    »Dein Geständnis kannst du dir in den A… stecken«, röchelte der Arrestant.
     
    Als Fandorin bei der Geheimpolizei anlangte, war es weit nach Mitternacht. Erst hatte er sich noch um den in seinem Blut liegenden Larionow kümmern müssen. Bei seiner Rückkehr fand er den Ingenieur schon im Koma liegend vor. Als die telefonisch gerufene Kutsche vom Hospital der Philanthropischen Gesellschaft endlich eintraf, war der Krankentransport sinnlos geworden, die Zeit umsonst vergeudet.
    Zu alledem mußte der Staatsrat den ganzen Weg zum Bolschoi Gnesdnikowski zu Fuß gehen – um diese Nachtzeit begegnete man keiner einzigen Droschke.
    Als er endlich eintraf, lag die Gasse still und finster, nur in den beiden Stockwerken des bekannten Gebäudes brannte fröhliches Licht. An Schlaf schien bei der Geheimen Staatspolizei heute niemand zu denken. Schon auf dem Korridor wurde Fandorin Zeuge einer interessanten Szene: Mylnikow war mit seinem Trupp bei der Auswertung der abendlichenOperation. Sämtliche sechzehn Agenten standen längs der Wand aufgereiht, der Kollegienassessor schlich vor ihnen auf und ab wie ein riesiger Kater und tat mit stupider Magisterstimme seine Belehrungen kund: »Und ich wiederhole das Ganze noch einmal, damit ihr Tölpel es euch hinter die Ohren schreibt. Bei der Festnahme einer Gruppe von Politischen, insbesondere wenn Verdacht auf Terrorismus besteht, wird verfahren wie folgt. Erstens: Überrumpelung. Eindringen mit Gebrüll und Getöse, auf daß ihnen die Knie weich werden. Auch der tapferste Mann erstarrt, sofern man ihn kalt erwischt. Zweitens: Bewegungsunfähigkeit herstellen. Jeder Delinquent hat auf seinem Fleck zu verbleiben wie angenagelt, darf keinen Finger mehr rühren können, geschweige einen Mucks von sich geben. Drittens: nach Waffen durchsuchen. Auf die Idee seid ihr wohl nicht gekommen, wie? Dich frage ich, Guskow, du hast den Einsatz doch angeführt.«
    Mylnikow war vor einem älteren Agenten stehengeblieben, dem immer noch das Blut aus der geschundenen Nase troff.
    »Aber Herr Mylnikow, Euer Hochwohlgeboren!« brummte Guskows Baßstimme. »Das waren doch alles Grünschnäbel, halbe Kinder, das sah man doch gleich. Da hab ich ein Auge für.«
    »Ich werd dir gleich auf dein Auge«, parierte der Kollegienassessor in

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