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Tote im Salonwagen

Tote im Salonwagen

Titel: Tote im Salonwagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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das allerwichtigste.
    Das Bündel war noch in der Luft, die Wächter hatten noch nicht kapiert, was für ein seltsames Ding ihnen da entgegengeflogen kam, als Jemelja schon kehrtgemacht hatte und zurück auf seine Ecke zuraste.
    Der Knall war nicht besonders laut – nur die Hälfte der sonstigen Ladung. Es ging nicht um die Sprengkraft, es war eine Demonstration. Eine mächtigere Explosion hätte die Wächter taub gemacht, womöglich verletzt – während von ihnen erwartet wurde, flink zu sein.
    »Ein Bombenwerfer!« brüllte der Unteroffizier und versuchte über den Schlitten hinweg nach hinten zu spähen.
    »Da ist er, um die Ecke gesaust!«
    Fürs erste lief alles nach Plan. Die vier im hinteren Schlitten – keinen von ihnen hatte die Bombe lädiert – sprangen auf die Straße, flitzten hinter Jemelja her. Die anderen vier, die noch in den Sätteln saßen, wendeten ihre Pferde und folgten mit Pfiffen und anfeuernden Rufen.
    Nun waren bei der Kutsche nur noch zwei der bewaffneten Wächter – die, die abgestiegen waren und dastanden wie zuvor, mit der Bohle in Händen – sowie der Unteroffizier. Den Kutscher und den Expediteur durfte man vernachlässigen.
    Ein, zwei Sekunden, nachdem die Verfolger in die Sackgasse eingebogen waren, krachten dort mehrere Revolverschüsse in Folge. Spätestens jetzt hatten sie ihre Kutsche wohl endgültig vergessen. Taub von den Schüssen, gelähmt vor Angst, würden sie sich zu Boden werfen und anfangen, blindlings um sich zu schießen.
    Jetzt kam Grins und Jokers Auftritt.
    Beinahe gleichzeitig betraten sie, jeder von seiner Seite, das Straßenpflaster. Joker schoß dem einen Wächter zweimal in den Rücken, dem anderen schlug Grin den Revolverknauf ins Genick; die Wucht, mit der das geschah, war völlig ausreichend. Dumpf polternd fiel die Bohle in den zertrampelten Schnee und rollte ein Stück zur Seite, während der Kutscher in die Hocke ging, sich aus unerfindlichen Gründen die Ohren zuhielt und leise zu winseln anfing.
    Dem Unteroffizier und dem Expediteur, die bewegungslos auf dem Bock saßen, winkte Grin mit der Mündung seines Revolvers.
    »Runter da. Hurtig!«
    Der Zivilbeamte zog den Kopf zwischen die Schultern und sprang ungeschickt ab, während der Unteroffizier noch zweifelte, ob er sich ergeben oder seiner Dienstpflicht folgen sollte: Eine Hand ging in die Höhe, die andere wanderte blind in Richtung Koppel.
    »Keine Dummheiten«, sagte Grin. »Ich schieße.«
    Gehorsam hob der Offizier auch die zweite Hand, doch Joker schoß trotzdem. Die Kugel traf mitten ins Gesicht; da, wo eben noch die Nase gewesen war, färbte es sich tiefrot, während der Mann wild aufjaulend nach vorn kippte und mit den Armen zuerst auf dem Boden aufschlug.
    Joker packte den Expediteur beim Mantelkragen und zerrte ihn zur Rückseite der Kutsche:
    »Schließ auf, du Clown, wenn dir dein Leben lieb ist!«
    »Das kann ich nicht, ich hab den Schlüssel nicht«, stammelte der Beamte mit schreckensbleichen Lippen.
    Worauf Joker ihm in die Stirn schoß, über den Leichnam hinwegschritt und das versiegelte Schloß mit zwei weiteren Schüssen sprengte.
    Drinnen waren sechs Säcke, auch dies wie vorhergesagt. Eilig ritzte Grin mit dem Revolverknauf die Buchstaben
KG
in die Tür. Damit sie Bescheid wußten.
    »Wozu mußtest du den noch abknallen?« fragte er, während sie die Beute auf den Schlitten umluden. »Der andere hatte sich auch schon ergeben.«
    »Keiner, der Joker wiedererkennen könnte, bleibt am Leben«, zischte der »Experte« durch die zusammengebissenen Zähne und kippte sich den nächsten Sack auf die Schultern.
    Das hörte der Kutscher, der immer noch im Schnee kauerte. Er ließ das Winseln und machte, daß er davonkam.
    Joker warf die Last ab und schoß hinterher, ohne zu treffen;einen zweiten Versuch vereitelte Grin, indem er ihm die Waffe aus der Hand schlug.
    »He, was soll das?« Der Räuber hielt sich das geprellte Handgelenk. »Der hetzt uns die Polizei auf den Hals!«
    »Egal. Wir sind hier fertig. Gib das Signal.«
    Joker fluchte knapp und saftig, dann stieß er einen melodischen Trillerpfiff aus, worauf die Ballerei in der Sackgasse sofort an Intensität verlor – der Pfiff war das Zeichen für die Jungs, sich zurückzuziehen.
    Das Pferd zog aus dem Stand kräftig an, warf die mit Dorneneisen beschlagenen Hufe, und der leichtgängige Schlitten, der von den Säcken mit dem Papiergeld kaum an Gewicht zugenommen hatte, glitt wie schwerelos über das vereiste Pflaster.
    Grin

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